Die falsche FPÖ-Strategie: Wie Kickl nicht Volkskanzler wird!

Herbert Kickl werden im Jahr 2024 wohl zwei politische Kunststücke gelingen: Er wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Nationalratswahl gewinnen und Platz 1 belegen und damit das beste freiheitliche Ergebnis in der Geschichte der Zweiten Republik erringen. Aber jetzt kommt das große Aber: Kickl wird trotz dieses Ergebnisses in der Opposition landen. Musste Viktor Klima 1999 mit einem Vorsprung von 6 Prozent auf den Zweitplatzierten  in Opposition gehen, könnte Herbert Kickl mit einem Vorsprung von 10% heuer das Gleiche blühen. Kickl wird also nicht Volkskanzler werden und das liegt zu einem Gutteil an seiner politischen Strategie. Diese werden wir uns in diesem Artikel genauer ansehen.

Um Bundeskanzler oder „Volkskanzler“ zu werden, reicht es nämlich nicht aus eine Wahl zu gewinnen. Man muss es auch schaffen, politische Mehrheiten zu organisieren. Geert Wilders in den Niederlanden kann davon gerade politisch ein Lied singen. Ein Parteifreund Kickls übrigens, wenn man ins Europaparlament schaut. Im Gegensatz dazu ist Wolfgang Schüssel im Jahre 2000  als Dritter mit seinem politischen Geschick Bundeskanzler geworden, eben weil er genau die nötige Mehrheit organisieren konnte!

Wir vom „März“ müssen mit „Kickl wird Kanzler“ Stories keine hohe Auflage anstreben, wie manche Massenblätter es tun und können daher schon heute spoilern, was im Herbst nach der Wahl mit größter Wahrscheinlichkeit passieren wird: Die FPÖ wird in der Opposition landen und zwar trotz Wahlsiegs und überragendem Platz 1. Die vier anderen Parteien  dagegen werden alle um eine Regierungsbeteiligung ringen, wofür es wegen der starken FPÖ wohl drei Partner brauchen wird! Wäre Herbert Kickl ein guter Politstratege, dann hätte er wohl längst hierzu politische Akzente gesetzt. Danach sieht es aber im Moment überhaupt nicht aus! Anstatt die drohende „Kenia-Koalition“ im Ansatz zu verhindern, verzettelt sich Kickl in einem politischen Kleinkrieg mit der ÖVP.

Wien Bundeskanzleramt am Ballhausplatz

Politische Arithmetik: Was man tun muss um Kanzler zu werden !

Andi Babler hat am Beginn seiner SPÖ Kampagne sein linksradikales Herz direkt  sprechen lassen und hat harte politische Akzente gesetzt: Keine Koalition mit der „radikalisierten ÖVP“. Seitdem aber sind derartige Töne immer leiser geworden. Warum wohl? Babler will Kanzler werden  und das geht in Österreich wegen der politischen Arithmetik nicht ohne die ÖVP. Es gibt schließlich in Österreich eine politische und ideologische Mitte-Rechts-Mehrheit von ÖVP und FPÖ und nachdem die Linke als ihr Markenzeichen die FPÖ aus voller Inbrunst ablehnt, bleibt nur die ÖVP als Mehrheitsbeschaffer übrig. Deshalb sitzt die ÖVP auch seit 1986 in jeder Regierung, ausgenommen nur die Expertenregierung.

Spieltheoretisch betrachtet ist die Lage der ÖVP ziemlich gut: Sie bildet mit der FPÖ aufgrund der Einstellung der Bevölkerung eine Mitte-Rechts-Mehrheit und jeder andere ideologische Partner (SPÖ, Grüne, Neos) muss das machtpolitisch berücksichtigen. Alfred Gusenbauer machte deshalb bei seinem Regierungsprogramm ebenso ideologische Abstriche wie Werner Faymann. Der rote Machterhalt war ihnen nämlich wichtiger als eine zu linke Handschrift. Weil die linken Parteien über die linken Medien aber mit Schlagwörtern wie Orbanismus, rechtsextrem, Nazis et cetera große Hürden aufbauen, braucht es starke ÖVP-Chefs, die eine Mitte-rechts Koalition auch tatsächlich durchsetzen. Solche waren ein Wolfgang Schüssel und ein Sebastian Kurz.

Seit der Ibiza-Affäre und nach den jüngsten Polit-Verwerfungen unter Kickl besteht die Machtoption mit der FPÖ aber nur am Papier. Kanzler Nehammer schließt die Kickl-FPÖ als Koalitionspartner kategorisch für sich aus, so auch seine präsumptiven Nachfolger Karoline Edtstadler und Magnus Brunner. Mit einer „FPÖ ohne Kickl“ ginge es wohl, nur wird es diese 2024/25 nicht geben. Die Folge dieses Zwistes im bürgerlichen Lager sah man schon 2019 und 2021: Sebastian Kurz wurde zuerst abgewählt und dann gleich ganz aus der Politik gedrängt. Die ÖVP hatte sich machtpolitisch zu sehr den linken Grünen ausgeliefert, während die FPÖ wegen des Koalitionsbruchs zu Recht verstimmt war.

Kickl hätte als Führender in den Umfragen diese politische Arithmetik sehr wohl zu berücksichtigen. Ein politischer Kleinkrieg mit seinem einzig möglichen Partner – der ÖVP – erscheint hier wenig klug.

Der Volkskanzler

Politisch hinterfragenswert ist auch das Thema „Volkskanzler“. Wir wollen übrigens nicht annehmen, dass Kickl dabei auch nur im Entferntesten auf Adolf Hitler verweisen will. Vielmehr ist eher wahrscheinlich, dass er damit volksnahen Bundeskanzlern wie Bruno Kreisky und Leopold Figl nacheifert, die alle Volkskanzler genannt wurden oder den Begriff zumindest für sich instrumentalisierten, wie ein Alfred Gusenbauer es tat. Es ist also ein Ausdruck von kleinbürgerlichen Gesinnung, die durchaus Kickls proletarische Herkunft widerspiegelt. Seine Ablehnung des Establishments wird in diesem Zusammenhang besonders glaubwürdig. Kickl lebt das auch in der eigenen Partei: Bei den elitären Burschenschaftern in der FPÖ ist er politisch nie angekommen. Eine Einladung der Industriellenvereinigung schlug er jüngst als einziger Parteichef brüsk aus.

Politisch kann er mit diesem Begriff -unserer Ansicht nach- abseits der eigenen Basis längst nichts mehr gewinnen. Klassischen FPÖ-Wählern gefällt Kickl auch ohne diesen Titel und weitere bürgerliche Wähler schreckt der proletarische Begriff Volkskanzler eher ab. Die Linken wiederum nehmen ihn dankbar auf und instrumentalisieren mit ihm leichter ein „Drittes Reich 3.0“ oder eine „Orban 2.0 Regierung“. Die ganze Kampagne ist und bleibt also strategisch eher ein politischer Fehler, auch wenn sie taktisch im eigenen Lager ziehen mag.

Der „Österreich-Plan“ : Das Regierungsprogramm, das nie kommen wird

Die ÖVP hat einen politischen Plan für die Zeit nach der Nationalratswahl 2024: Den Österreich-Plan ! Die ÖVP definiert hier unter Bundeskanzler Nehammer wie Österreich für sie 2030 am Ende der nächsten Legislaturperiode aussehen sollte. Über die politische Kompatibilität des Österreich-Plans mit der FPÖ urteilten linke Beobachter wie SPÖ-Chef Andi Babler geradezu „entsetzt“ :

SPÖ-Chef Andreas Babler sah darin einen „Heiratsantrag“ der ÖVP an die FPÖ.

https://www.diepresse.com/18035642/nehammer-rede-zu-oesterreichplan-stoesst-auf-viel-kritik

Sollte also heißen, der Plan wäre wohl jedenfalls im bürgerlichen Lager mehrheitsfähig, in ganz Österreich und natürlich auch in einer Koalition von FPÖ und ÖVP. Die ÖVP setzt nämlich bürgerliche Kernthemen, die sich mit nur einer Partei auch in vollem Ausmaß verwirklichen ließen: Mit den Freiheitlichen. Warum ist das so? Weil beide bürgerlichen Parteien sich rechts der Mitte positionieren, traditionell, christlich und patriotisch geben und in der Demokratie Wähler mit ähnlichen Ansichten vertreten. Eine 32-Stunden-Woche, offene Grenzen und eine frühzeitige billigere Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft, so wie es manche linke Partei fordert, ist dagegen natürlich nicht im „Österreich-Plan“ enthalten. Der Spiegel urteilte darüber so:

Mit SPÖ und Grünen lässt sich davon kaum etwas umsetzen, mit den liberalen Neos nur wenig. Um sein Wahlprogramm zu verwirklichen, bräuchte Nehammer die FPÖ.

https://www.spiegel.de/ausland/oesterreich-karl-nehammer-versucht-vergeblich-sich-von-der-fpoe-abzugrenzen-a-9773d3f5-2207-402f-bce2-40cef5319d69

Kickl hätte hier also ein inhaltliches Angebot, mit welchem er arbeiten könnte. Dafür müsste er aber persönliche Hürden abbauen und die ÖVP als künftiger Juniorpartner politisch umgarnen. Ganz so wie die ÖVP es in der laufenden Legisalturperiode mit den Grünen tun musste, als diese wiederholt die ÖVP mit einem Koalitions-Aus bedrohten. Letztendlich mussten sie sich sogar Kanzler Kurz abschießen lassen.

Divide et Impera: Wie die österreichische Linke die FPÖ draußen hält

Die politische Linke in Österreich versucht seit 1970 das bürgerliche Mitte-rechts Lager in Österreich zu spalten, sodass ÖVP und FPÖ ihre politische Mehrheit nicht ausspielen können. Das tat sie erst, indem sie sich mit der FPÖ verbündete (1970,1983) und dann ab 1986 indem sie die FPÖ mit Nazi-Vorwürfen über die Medien diffamierte, um so der ÖVP  eine Koalition zu verunmöglichen. Man baute dabei auf eines der zwei Lager in der ÖVP. Diese ist nämlich gespalten in großkoalitionäre Christlichsoziale und klassische Mitte-Rechts-Konservative! Erstere sind eine Machtchance für die SPÖ, während letztere die bürgerliche Mehrheit verwirklicht sehen wollen.

Kickl hat sich nach seiner Demission als Innenminister auf Betreiben der Kurz-ÖVP 2019 der Rache an dieser verschrieben. Menschlich betrachtet wäre das zwar durchaus verständlich, politisch gesehen aber ist ein Großteil der Kurz-ÖVP, abgesehen vom niederösterreichischen Machtzentrum in Form von Kanzler Nehammer, auch schon wieder Geschichte. Allerdings war Letzteres 2019 aber wohl direkt verantwortlich für Kickls Demission, denn die niederösterreichische ÖVP sieht das Innenministerium als politische Erbpacht. Kickl kann aber leider ohne die ÖVP nicht Kanzler werden und müsste daher in dieser Frage Machtpolitik über seine persönliche Empfindlichkeiten stellen. Danach sieht es im Moment aber nicht aus, denn die FPÖ verzichtet bislang auf die generös ausgestreckte Hand des klaren Umfragesiegers.

Triumphieren darf daher die politische Linke. ÖVP und FPÖ verzetteln sich in politischen Kleinkriegen und verbauen sich damit ihre gemeinsame Machtoption. So kommt die Babler-SPÖ mit derzeitigen 21% in eine gute Machtposition, die sie ideologisch in Österreich so niemals einnehmen könnte. Gemeinsam mit den NEOS oder den Grünen würde man in einer „Kenia-Koalition“ einer geschwächten ÖVP gegenübertreten und programmatisch viel diktieren können.

Fazit

Auf diese Weise könnte Babler mit dem schlechtesten oder zweitschlechtesten SPÖ-Wahlergebnis Bundeskanzler und Herbert Kickl  mit dem besten FPÖ-Ergebnis in der Opposition landen. Garniert mit Spott über seine Volkskanzler-Idee. Man könnte dann also wohl von einem taktischen Sieg, aber einer strategischen Niederlage sprechen. Chance auf Besserung gäbe es dann allerdings nicht mehr so schnell: 5 lange Jahre Opposition unter einer Babler-Koalition wären nämlich eine halbe Ewigkeit. Das Theater um den „Volkskanzler“ wird Kickl jedenfalls nachhängen, diese Art von Kampagne ist wohl nicht die beste gewesen.

Das Beispiel Wilders in den Niederlanden zeigt eines: Nach der Wahl eine Mitte-Rechts-Koalition zu schmieden ist zu spät. Die Kickl-FPÖ müsste spätestens jetzt schon auf die ÖVP zugehen und politische Hürden aus dem Weg räumen. Thematisch hat man ja viele Überschneidungen und teilt sich damit Vision wie Wähler. Wenn sich die ÖVP ihrem „Österreich-Plan“ ideologisch verpflichtet fühlte, dann würde sie derartigen Avancen antworten. Die linksliberalen Medien, der Boulevard und das Wiener Establishment würden jedenfalls nichts unversucht lassen, um über eine SPÖ-Regierungsbeteiligung wieder mitzuregieren. Deshalb muss eine FPÖ-ÖVP Koalition gut vorbereitet sein. Aktuell ist aber das Gegenteil der Fall: Beide Parteien zerstreiten sich und beschuldigen sich gegenseitig der Korruption und des Machtmissbrauchs.

Herbert Kickl hat hier also strategisch einige Fehler begangen: Er müsste inhaltlich längst in Richtung Mitte rücken, um bürgerliche Wähler zu binden und die ÖVP politisch als Partner zu gewinnen. Er sollte seiner Kampfrhetorik realistischeThemen folgen lassen, die das Land bewegen und sollte Lösungen propagieren, wie etwa bei der Migration. Der „Österreich-Plan“ der ÖVP wäre da eine erste gute Basis. Persönlich müsste er alte politische Vorbehalte und Verletzungen überwinden, um seinem Ziel, „Volkskanzler“ zu werden, näher zu kommen. Auch danach sieht es aktuell gar nicht aus ! Vielmehr schießen sich ÖVP und FPÖ  gegenseitig ins Aus und überlassen das Spielfeld Andi Bablers Truppe (siehe auch https://www.dermaerz.at/die-falsche-strategie-der-oevp-wie-man-2024-verliert/).

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Links & Quellen

https://www.diepresse.com/18035642/nehammer-rede-zu-oesterreichplan-stoesst-auf-viel-kritik

https://www.spiegel.de/ausland/oesterreich-karl-nehammer-versucht-vergeblich-sich-von-der-fpoe-abzugrenzen-a-9773d3f5-2207-402f-bce2-40cef5319d69

https://www.deroesterreichplan.at