Die falsche Strategie der ÖVP: Wie man 2024 Wahlen verliert !

Die ÖVP verfolgt schon seit über einem Jahr eine neue Strategie: Man schließt die Kickl-FPÖ als Partner aus und versucht die FPÖ-Führung politisch direkt anzugreifen. Kickl wird als Gefahr für Österreich dargestellt und ein U-Ausschuss beschäftigt sich mit den Russlandverbindungen der FPÖ. Der Zufall in Form der Spionageaffäre rund um Russland-Spion Egisto Ott kommt da der ÖVP sehr gelegen. Gleichzeitig aber weist die ÖVP innenpolitisch – siehe dazu etwa der Österreichplan – die meisten Gemeinsamkeiten mit der FPÖ auf! Man oszilliert deshalb zwischen zwei Positionen hin und her: Nicht mit der Kickl-FPÖ, aber eventuell doch mit einer FPÖ ohne Kickl, obwohl das freilich eine Chimäre ist.

Die Nehammer-ÖVP attackiert also nun die Kickl-FPÖ seit geraumer Zeit fast genauso hart wie es die anderen linksliberalen Parteien seit Jahren tun. Man wirft ihr Korruption, Gefährlichkeit und Verantwortungslosigkeit vor und verwendet dazu unter anderem Beispiele aus der gemeinsamen Regierungszeit. Grundsätzlich macht das politisch natürlich Sinn: Die Kickl-FPÖ führt immerhin in Umfragen schon seit über einem Jahr überlegen. Außerdem sind ÖVP und FPÖ politisch großteils kommunizierende Gefäße, was bedeutet, dass Wählerwanderungen in der Regel im bürgerlichen Mitte-rechts Lager bleiben und in letzter Zeit von der Kurz-ÖVP zur Kickl-FPÖ zu bemerken waren.

Wir werden in diesem Artikel diese jüngste politische Strategie hinterfragen, weil wir meinen, dass sie für die ÖVP nicht unbedingt  erfolgsversprechend sein muss. Warum, werden wir jetzt diskutieren !

Inhalte und Wählerblöcke

Wenn SPÖ, Grüne und NEOS die FPÖ attackieren, dann ist die ÖVP in der Regel oft mitgemeint. Da wird zum Beispiel in einem Atemzug vor Türkis-Blau, das ein „orbansches rechtes System“ schaffen könnte, gewarnt. Wenn man nun aber als ÖVP dann auch noch in den linken Anti-FPÖ-Tenor einstimmt, dann delegitimiert man nicht nur die eigenen Positionen ein Stück weit, sondern sendet auch falsche Signale diesbezüglich an seine Wähler aus.

Schließlich wissen wir ja von den letzten Wahlen, dass ÖVP und FPÖ politisch kommunizierende Gefäße sind. Rund 10-15% der einstigen Kurz-Wähler sind politisch in letzter Zeit zur FPÖ abgewandert, wohl weil man mit Teilen des FPÖ-Programms einverstanden ist, bzw. andererseits die Unzufriedenheit groß genug ist, um die FPÖ als „Protest“ zu wählen. Attackiert man als ÖVP aber nun die FPÖ-Spitze persönlich, dann wird das diese Wechselwähler wenig zugunsten der ÖVP beeinflussen. Eher erzeugt man damit einen „Jetzt-erst-Recht-Moment“ bei bürgerlichen Wählern, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wen sie am Ende wählen sollen! Viel erfolgsversprechender wäre es stattdessen wohl, Wechselwähler mit Inhalten bzw. mit der politischen Implementierung dieser zurückzugewinnen.

Mit dem linken Lager verhält sich die Sache anders. Linke Politiker können es sich locker leisten, die FPÖ und auch deren Wähler zu attackieren und zu diffamieren. Es gibt ja nur wenige Überschneidungen bei freiheitlichen Wählern und denen der jeweiligen linken und liberalen Parteien (SPÖ, Grüne, NEOS) . Viel linke Polemik gegen die FPÖ erweist sich hier sogar als hilfreich, weil damit linke Wähler mobilisiert werden können. Wenn nun aber beispielsweise ÖVP-Klubchef August Wöginger die gemeinsame Regierungsarbeit der FPÖ (2017-2019) scharf kritisiert, dann kommt von linker Seite sofort der Vorwurf, dass die ÖVP die FPÖ doch in die Koalition geholt habe. ÖVP-Granden tun sich mit dem einseitigen Schmusekurs Richtung links sowie auch mit  schriller Abgrenzung zur FPÖ daher nur wenig Gutes ! Sie werden sich am Ende politisch nämlich zwischen zwei Stühlen wiederfinden.

Tatsächlich wäre die ÖVP wohl besser beraten, die bürgerliche Wechselwählerschaft mit zugkräftigen Inhalten anzusprechen. Sie wird Wähler rechts der Mitte nämlich nur mit bürgerlicher Politik rechts der Mitte zurückgewinnen können und nicht indem sie die FPÖ in Dauerschleife ebenso heruntermacht wie es die politische Linke tut.

Das interne Politspiel in der ÖVP

Je mehr es uns gelingt, die Russland-Beziehungen von Kickl und der FPÖ zu thematisieren, desto geringer sind die Erfolgschancen für jene in der ÖVP, die nach der Wahl trotz allem wieder gerne mit der FPÖ koalieren würden.

FPÖ-kritischer ÖVP-Stratege, zitiert nach Votzi (12.04.2024)

Die Sehnsucht in Teilen der ÖVP nach einer großen Koalition ist gerade wieder stärker spürbar. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler etwa glaubt an deren „Gestaltungskraft“. Nehammer kann wiederum persönlich gut mit Babler, ditto gibt es einige Querverbindungen als Basis für eine stabile Koalition. Es wird deshalb seit Monaten an einer Wiederannäherung von ÖVP und SPÖ gearbeitet. Früchte davon sieht man etwa im paritätisch besetzten Gouverneursrat der österreichischen Notenbank. Hier haben letztes Jahr mehrere ÖVP-nahe Manager einige SPÖ-nahe Manager in höchste Ämter berufen. Historisch gesehen wäre das nichts wirklich Neues, nur ist die SPÖ heute ja gar nicht in der Regierung vertreten. Die Grünen haben also wohl ihnen zustehende Posten in der Nationalbank SPÖ-nahen Managern überlassen – sofern man diese Lesart glauben will !

SPÖ-EU-Wahlspitzenkandidat Schieder versprach sich jüngst im „Krone“-Interview und gab den roten Wunsch nach einer großen Koalition zu. Aus SPÖ-Sicht ist das verständlich: Macht für die Partei im Bund nach 7 Jahren Opposition. Viele ÖVPler scheinen dabei aber vergessen zu haben, dass die letzte große Koalition mit der SPÖ vor allem eines war, nämlich blockadereich und schlicht mühsam. Im Land gärte ob des Stillstands lange die Unzufriedenheit.

Das externe Politspiel der ÖVP

Die ÖVP beteiligt sich am Basteln einer politischen Bombe, deren Wirkung zu einem guten Teil gegen Sie selbst gerichtet ist.

Georg Vetter (Ex-ÖVP Abgeordneter), zitiert nach „Die Presse“ (15.04.2024): S.22

Die Aufklärung des BVT-Skandals und in der Folge der Spionageaffäre Ott wird von der ÖVP vorangetrieben. Diese Affäre fällt aber politisch leider auch auf die eigene Partei zurück und das obwohl sie von Anfang an eher Opfer als Täter war. Alles begann im BVT mit einem mächtigen SPÖ-nahen Anwalt. Gabriel Lansky war sehr unzufrieden, dass der Geheimdienst BVT Daten über ein eingestelltes Verfahren über ihn speicherte. Es ging dabei um Kontakte zum kasachischen Geheimdienst. Um deren Löschung voranzutreiben stellte Lansky Kontakte her und zwar zwischen der WKStA einerseits und dem Kabinett von Innenminister Kickl andererseits (2019-2021). Die Folge war die besagte Hausdurchsuchung im BVT sowie ein enormer Reputationsschaden für den Nachrichtendienst.

Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber nutzte dann die Gelegenheit um den ÖVP-nahen BVT-Chef Gridling loszuwerden. Hier lag also ein klassischer Machtpoker vor, angetrieben von ganz unterschliedlichen Interessen. Seitdem sich diese Aktion aber als Desaster entpuppte, will niemand mehr etwas damit zu tun haben. Die Opposition wirft Türkis-Blau die Zerstörung des Geheimdiensts vor. Die FPÖ putzt sich an den ÖVP-Innenministern vor Kickl ab und die ÖVP beschuldigt wiederum Kickl. Indem die ÖVP aber nun Kickl angreift, widerspricht sie eigenen Aussagen aus der gemeinsamen Regierungszeit. Damals wurde Kickl nämlich freie Hand zugesichert, um in seinem Aufgabenbereich aufzuräumen ! Das ganze Thema schwarz-blaues Innenministerium wird vor allem eines: Wahlkampfmunition für die linke Opposition !

Polittaktik

Mit der Strategie der stetigen persönlichen Attacken auf Herbert Kickl und dessen Arbeit verschließt sich die ÖVP ihrem ideologisch am nähesten stehenden Partner, mit dem sie ihren Österreich-Plan 1:1 umsetzen könnte. Linke Politstrategen zeigten sich schon anlässlich der Präsentation des Plans Anfang 2024 „entsetzt“ darüber, wie deckungsgleich ÖVP und FPÖ als Mitte-Rechtsparteien seien. Woraufhin man als Demokrat hätte antworten sollen: Man kämpft schließlich um die gleichen Wähler ! Gerne wird ignoriert, dass eine Mehrheit in Österreich politisch schlicht und einfach hinter ÖVP und FPÖ steht und das seit Jahrzehnten. Bundeskanzler Karl Nehammer und sein Team können und dürfen dieses Faktum nicht außer acht lassen. Wird nun aber zuviel politisches Porzellan zerschlagen, dann schwächt das die ÖVP, ganz egal ob sie mit der FPÖ koalieren will oder nicht.

In den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl 2024 liefert sich die ÖVP mit dieser Strategie einer linken Babler-SPÖ auf Gedeih und Verderb aus, denn diese wird ja als einziger Partner übrig bleiben. Würde Babler zweiter bei der Nationalratswahl, was dank linker Medienaffinität nicht unwahrscheinlich erscheint, dann müsste die ÖVP einen Marxisten zum Kanzler küren und mit diesem Vermögenssteuern beschließen und die Politik der offenen Grenzen ginge wohl so weiter. Wer das nicht gutieren würde, ist wohl klar: Jene bürgerlichen Mitte-rechts Wähler, die sich keinen Schulabbrecher mit linksextremen Allüren an der Staatsspitze wünschen. „Bezahlen“ aber dürfte die politische Rechnung am Ende dann ohnehin die ÖVP ab 2025 und zwar so wie es die FDP in der Ampel-Koalition in Deutschland nun seit Jahren vorexerziert. Deren mitte-rechts Wähler haben sich vielfach abgewandt, weil die FDP in der Ampel zuviele linke Maßnahmen mittragen muss.

Fazit

Die Nehammer-ÖVP konnte in der Migrationspolitik die Versprechen der Kurz-ÖVP nach weniger illegaler Migration und mehr Kontrolle nicht einhalten. Somit sind bürgerliche Wähler nicht zu unrecht zur FPÖ abgewandert. Diese Wähler gewinnt man aber nicht mit einem Anti-Kickl-Kurs oder mit einem Babler-freundlichen Austro-Ampel-Kurs zurück, sondern nur indem man das Problem übermäßiger Asylzahlen im Land aktiv angeht und etwa a la Dänemark Obergrenzen und Aufnahmestopps verkündet. Sonntagsreden reichen längst nicht mehr aus, wenn Österreich bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf Platz 2 pro Kopf in Europa liegt. Man muss als Regierung inhaltlich punkten, indem man wenigstens die Dinge vor der Wahl durchsetzt, die man der eigenen Klientel davor versprochen hat !

Der Hauptgegner um das Kanzleramt ist ja auch nicht Kickl, sondern Andi Babler, zumindest wenn sich die ÖVP Fraktion durchsetzt, die unbedingt wieder eine große Koalition a la 2008 und 1995 will. Es wäre der ÖVP also zu raten, sich politisch eher auf Babler einzuschießen und parallel dazu FPÖ-Wähler thematisch durch gute Arbeit und Rhetorik abzuholen !

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Links & Quellen

https://www.trend.at/politik/kickt-sich-kickl-out-politik-backstage

Georg Vetter (14.04.2024): Kickl, Nehammer und das BVT. In „Die Presse“ vom 14,.04.2024: S.22

https://www.krone.at/3346405

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