Causa Waldhäusl: Was darf man in Österreich noch sagen?

Der Anlass für diesen Artikel zum Thema „Freie Meinungsäußerung“ ist eine Aussage des niederösterreichischen Landesrats Gottfried Waldhäusl (FPÖ) zum Thema Zuwanderung. Diese seine Aussage wurde in der Folge ziemlich dramatisiert, NS-Bezüge wurden hergestellt und linksliberale Medien wie der Standard urteilten harsch:

Aussagen von FPÖ-Landesrat Waldhäusl: Rassismus oder Verhetzung?

https://www.derstandard.at/story/2000143176081/aussagen-von-fpoe-landesrat-waldhaeusl-rassismus-oder-verhetzung

Wir werden uns deshalb die Aussage von Waldhäusl in diesem Artikel nun genauer ansehen und selbst eine erste Einschätzung vornehmen. Wir wollen seine Aussage nicht rechtfertigen, auch nicht für ihn Partei ergreifen, sondern nur evaluieren, ob hier nun wirklich Rassismus oder Verhetzung vorliegen, oder ob es sich dabei doch nur um legitime freie Meinungsäußerung handelt! Interessant ist an dieser Causa nämlich, dass sie eine wahre Medienhysterie ausgelöst hat, in deren Sog sich auch Politikerinnen mit äußerst dramatischen Worten in die Debatte einbrachten, unter diesen auch Karoline Edstadler von der ÖVP.

In der Folge soll in diesem Artikel anhand des oben erwähnten Beispiels herausgearbeitet werden, wo in Österreich freie Meinungsäußerung aufhört, und wo vermeintliche „Verhetzung“ oder „Rassismus“ anfangen. Zu diesem Zweck wird Waldhäusls Aussage von uns genau seziert und hinterfragt!

Freie Meinungsäußerung: Was ist das eigentlich?

Das Thema „Freie Meinungsäußerung“ ist vor allem in angloamerikanischen Raum sehr wichtig und stets essentieller Teil der politischen Debatte. Politiker wie Bürger betonen dort, wie enorm wertvoll es ist, seine Meinung frei kundtun zu dürfen. Wir in Europa sind in dieser Hinsicht etwas reservierter – vielleicht wurden wir auch zu lange gegängelt von Aristokraten und nun von den politisch-korrekten Agitatoren. Nichtsdestoweniger ist die freie Meinungsäußerung ein hohes, wenn nicht das höchste Gut und auch bei uns gesetztlich fest verankert.

Im Artikel 13 des österreichischen Staatsgrundgesetzes (StGG) über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger ist dazu folgendes festgehalten:

Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern.

https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR12000053

In Österreich ist es dazu gesetzlich verboten, durch öffentliche Äußerungen Hetze gegen andere Menschen zu betreiben – z.B. weil diese eine andere Hautfarbe, Sprache, Herkunft oder Religion haben oder mit einer Behinderung leben. Ebenso verboten ist in Österreich die Beschimpfung und Herabsetzung von Menschen aufgrund ihres Alters, ihres Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung , wie auch auch die Verspottung von anerkannten Kirchen und Religionen oder die „Störung“ von Gottesdiensten . Es darf außerdem keine Werbung für den Nationalsozialismus gemacht werden und auch NS-Verbrechen dürfen nicht geleugnet werden – siehe Verbotsgesetz!

Soviel zur Theorie. Nun wollen wir uns nun die vermeintlich kontroverse Aussage von Gottfried Waldhäusl einmal genauer ansehen.

Landesrat Gottfried Waldhäusl; Quelle: Wikimedia Commons/KarlGruber

Die Aussage von Gottfried Waldhäusl

Frage der Schülerin an Landesrat Waldhäusl:

Ich wollte Sie fragen, wie sie es schaffen wollen, die EU-Außengrenzen zu schließen und was Sie dazu sagen, dass wenn Sie ihre Maßnahmen durchgeführt hätten, schon vor Jahren die Hälfte dieser Klasse oder eigentlich die ganze Klasse heute nicht das Gymnasium in Wien besuchen würde, weil alle aus dieser Klasse, die meisten Eltern, Migrationshintergrund haben und daher nicht hier sitzen würden.

Antwort von Gottfried Waldhäusl:

Das ist relativ einfach zu beantworten. Sowie es andere Kontinente schaffen, ihre Außengrenze tatsächlich zu sichern (wir haben Australien gehört), ist es auch EU-weit möglich, die Grenze tatsächlich zu sichern. Das kann man machen, wenn man es möchte. Und auf die Frage, wenn das geschehen wäre, dass hier sehr viele nicht in dieser Schule wären: Ja, wenn das schon lange geschehen wäre, dann wäre Wien noch Wien.

Waldhäusl zeigt sich hier politisch nicht sehr korrekt und beantwortet die Frage der Schülerin direkt und ohne Umschweife und schließt mit seiner Einschätzung, wonach Wien für ihn durch die Migration eben nicht mehr das Wien sei, wie er es kenne.

Was er allerdings politisch korrekt für einen mitte-rechts Politiker vermeintlich im typischen Politikersprech hätte sagen sollen, gibt ihm Martina Salomon im Kurier vor:

Österreich brauche – im Gegenteil – viel mehr so rhetorisch gewandte, bildungswillige, gut integrierte junge Frauen und Männer wie sie, aber weniger junge Analphabeten mit rückständigem Frauenbild und massiven Integrationsproblemen.

https://twitter.com/WosinM/status/1621791220149125121/photo/1

Waldhäusl hat sich offensichtlich dagegen entschieden und sich undiplomatisch klar positioniert. Deshalb kommen wir nun zur Frage: Ja darf er das denn im Österreich 2023? Darf er etwa das sagen oder meinen, was etwa zwei ehemalige deutsche Bundeskanzler (Union wie Sozialdemokratie) in ähnlicher Form ausgesprochen haben:

Es war ein Fehler, so viele Ausländer ins Land zu holen!

Bundeskanzler Helmut Schmid (SPD); Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/2077476-helmut-schmidt-es-war-ein-fehler-so-viele-auslander-ins-land-zu-h/

Die Existenzgrundlage unseres Landes geht kaputt, wenn erst die Schleusen für die Ausländer geöffnet sind.

Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU); Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/1952374-helmut-kohl-die-existenzgrundlage-unseres-landes-geht-kaputt/

Ist es in Österreich 2023 bereits Verhetzung zu sagen: „Wien wäre dann noch Wien“?

Verhetzung liegt in Österreich dann vor, wenn Gruppen von Menschen wegen ihrer Herkunft in der Absicht beschimpft werden, um sie in ihrer Menschenwürde zu verletzen und sie in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen. Laut Robert Kert, Professor für Strafrecht ist aber in diesem Fall höchst fraglich, ob Waldhäusls Sager eine „Beschimpfung“ sei, denn das Strafrecht, so Kert, verstehe unter Beschimpfungen Schimpfwörter oder Verhaltensweisen wie Anspucken, die hier ja nicht vorliegen. Waldhäusl müsste nur strafrechtliche Folgen befürchten, wenn die Justiz zum Schluss käme, dass der Satz „Dann wäre Wien noch Wien“ eine Beschimpfung wäre.

Wäre das wirklich der Fall, dann wäre das wohl jedenfalls eine empfindliche Beschneidung der Meinungsfreiheit in diesem Land. Zudem hat das Ganze natürlich auch einen politischen Hintergrund: Die FPÖ kritisiert als Oppositionspartei die vergangene Zuwanderungspolitik von SPÖ und ÖVP. Aus diesem Grund sekundierten Waldhäusl dann auch andere Politiker, wie der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner:

Die SPÖ hat Wien durch keine oder falsche Migrationspolitik zu einem anderen Wien gemacht und zwar zu keinem besseren.

Manfred Haimbuchner, zitiert nach https://www.vienna.at/haimbuchner-und-abwerzger-distanzieren-sich-von-waldhaeusl-sager/7888993

„Wien ist und war immer ein Schmelztiegel“

Nach Waldhäusls Aussage wurde von allen Seiten immer wieder eines betont: Wien sei immer ein Schmelztiegel der Nationen gewesen und ohne Migranten sei Wien nicht denkbar. Damit wird versucht, die Tatsache zu rechtfertigen, dass mittlerweile die Mehrheit der Bewohner Wiens Migrationshintergrund hat.

Oben erwähnte Behauptung aber ist – wenn wir heutige Migrationsmaßstäbe anlegen – historisch schlicht unrichtig. Wien ist zwar historisch als Stadt immer ein Anziehungspunkt gewesen, aber es sind in erster Linie stets Menschen aus der unmittelbaren und mittelbaren Nachbarschaft gekommen, bzw. aus den Provinzen des Habsburgerreiches, die von Wien aus regiert wurden. Das multikulturellste Wien im letzten Jahrtausend – die letzten 30 Jahre ausgenommen – gab es im Jahr 1910.

Wien ist damals bevölkerungsmäßig zwischen 1851 (431.000 EW) und 1910 (2.031.000 EW) geradezu explodiert. Etwa 25 Prozent der Einwohner stammten 1910 aus Böhmen und Mähren, weshalb man in Wien bis heute gerne von der ethnisch multikulturellen Stadt Wien spricht. ABER der Schein trügt: Nur wenige der Wiener „Tschechen“ kamen aus einsprachigen Bezirken und sowohl Böhmen wie Mähren hatten damals große deutsche Bevölkerungsgruppen (Stand 1900: 35 Prozent „Deutschösterreicher“). Das bedeutet, dass viele der „tschechischen“ Einwanderer aus Böhmen und Mähren eigentlich deutschsprachige katholische Österreicher waren. Im Jahr 1910 bekannten sich in Wien nur rund 5 % (!) der Einwohner zur tschechischen Umgangssprache. Auch eine andere große Minderheit in Wien – die Juden – war nicht nur deutschsprachig, sondern auch kulturell seit Jahrhunderten assimiliert.

Das Wien der Vergangenheit war also bei weitem nicht so multikulturell, wie man es heute aus Unwissenheit und Multikulti-Rechtfertigung gerne darstellt. Deutschsprachige Österreicher stellten stets die Mehrheit der Bevölkerung – zumindest bis vor ein paar Jahren. Daneben assimilierten sich kleine Migrantengruppen an die Mehrheitsbevölkerung. Der k.u.k. Zensus ist hier ziemlich eindeutig und hält folgende Sprachenverteilung für das Jahr 1910 fest:

Zweifelsohne war die Assimilation damals so effektiv, dass der Anteil der Doppelsprachler hier etwas höher war. Der Geburtsort als weiteres Herkunftskriterium demonstriert deshalb etwas besser die geographische Herkunftsverteilung der Wiener Bevölkerung:

Es ist also davon auszugehen, dass im Jahr 1890 ein Minimum von 70 Prozent der Einwohner Wiens gebürtige deutschsprechende Österreicher waren. Schätzungen (etwa von https://www.guenter-ofner.at/index.php/miscellen/sprachliches/55-die-sprachliche-zusammensetzung-wiens-zwischen-1850-und-191) gehen sogar von 80 Prozent oder mehr aus! Es waren dies deutschsprachige Wiener, gebürtig aus dem Burgenland (Deutsch-Westungarn), dem deutschsprachigen Sudetenland, aus Teilen der deutschsprachigen heutigen Slowakei oder eben aus den heutigen österreichischen Bundesländern.

FAZIT: Wien hatte in seiner Multikulti-Hochphase also „nur“ um die 20 Prozent „Migrantenanteil“, gebürtig aus nicht-deutschsprachigen Familien aus den habsburgischen Kronländern und dazu ganze 0,8 Prozent Ausländer (plus 1,9 Prozent Deutsche).

Fazit

FAKT ist also folgendes: Wien war in den letzten 1000 Jahren wohl noch nie so multikulturell wie heute. Wäre die Einwanderungspolitik der letzten 30-50 Jahre restriktiver gewesen, dann wäre Wien heute zweifelsohne weniger multikulturell. Waldhäusl hat also rein inhaltlich keinen Grund sich zu entschuldigen, sehr wohl aber moralisch, denn er hätte natürlich den Schülern nicht so ungeschminkt und unsensibel antworten dürfen.

Bürgerliche Politikerinnen wie Edtstadler oder Mikl-Leitner tun sich selbst jedenfalls keinen Gefallen, wenn sie in diesen linken Empörungsstrudel hineintappen, in dem mittlerweile behauptet wird, dass Waldhäusl alle Menschen mit Migrationshintergrund loswerden wolle. Das hat er nämlich nicht gesagt. Die demographischen Änderungen in Wien aber sind jedenfalls unübersehbar. Ob man das heutzutage nicht mehr aussprechen darf, wird die Justiz entscheiden.

Die (vor allem linke) Empörungsspirale mit vielen Floskeln im Wortlaut:

Zum Herrn Waldhäusl. Er fordert nicht weniger als den Zusammenbruch unseres Landes.

Rudi Fussi; Quelle: https://twitter.com/rudifussi/status/1621816352477483008

Es ist meine tiefste Überzeugung, dass es Aufgabe der Sozialdemokratie ist, dieser menschenverachtenden Politik entgegenzutreten.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner; Quelle: https://www.kleinezeitung.at/politik/6247248/Festlegung-auf-Twitter_RendiWagner_FPOe-ist-nicht-regierungsfaehig

Ihr fehlen „eigentlich die Worte“, so Edtstadler in der Puls-24-Sendung „Milborn“, „weil das erinnert an die dunkelsten Kapitel in der Geschichte dieses Landes“. Diese Diktion sei „unglaublich“.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler; Quelle: https://www.krone.at/2919389

Am Ende bleiben dann nur die Politiker von der FPÖ übrig, die aussprechen, was auf den Straßen Wiens für alle Bürger unübersehbar ist:

Dass Waldhäusl in einer Diskussion in Wien Wien als Beispiel heranzieht, ist ja auch nicht verwunderlich. Das kann doch bitte auch niemand mehr bestreiten, dass Wien nicht mehr das ist, was es vor Jahrzehnten einmal war.

Udo Landbauer (FPÖ-Chef Niederösterreich); Quelle: https://noe.orf.at/stories/3193456/

In einem vergangenen Beitrag haben wir die aktuelle demographische Situation in Wien beleuchtet: https://www.dermaerz.at/die-balkanisierung-von-wien-wie-der-demographische-wandel-heute-aussieht/

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Links & Quellen

https://www.derstandard.at/story/2000143176081/aussagen-von-fpoe-landesrat-waldhaeusl-rassismus-oder-verhetzung

https://www.politik-lexikon.at/print/meinungsfreiheit/

Philipp AIchinger (03.02.2023): TV-Aussage: Strafe für Waldhäusl? In: Die Presse vom 03.02.2023: S. 6

WANDRUSZKA, Adam; URBANITSCH, Peter (1980): Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Band III: Die Völker des Reiches. 1. Teilband. Kommission für die Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 1848-1918. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

https://www.guenter-ofner.at/index.php/miscellen/sprachliches/55-die-sprachliche-zusammensetzung-wiens-zwischen-1850-und-1918

https://www.vienna.at/haimbuchner-und-abwerzger-distanzieren-sich-von-waldhaeusl-sager/7888993

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