Wahlen in Österreich in den letzten 100 Jahren

Demokratie lebt vom politischen Wechsel ! Wir wollen daher in diesem Artikel einen Blick auf den Wahlausgang in den letzen 100 Jahren Demokratie in Österreich in der ersten Republik wie der zweiten Republik werfen. Und uns ansehen welche Partei, welches politische Lager, in der Folge dann auch Regierungsverantwortung in Österreich übernehmen konnte. Wahlen in Österreich hatten in all dieser Zeit immer wieder interessante Ergebnisse, weshalb wir hier ein Resümee über längere Trends, Ausreißer und politische Entwicklungen in dieser zeitgeschichtlichen Periode ziehen wollen.

Österreich war schon in der ersten Republik mehrheitlich bürgerlich geprägt. Konservative und deutschnational- freiheitliche Parteien dominierten. Dies blieb von der Mehrheitsverhältnissen her auch in der zweiten Republik größtenteils so. Ausgenommen freilich das Kreisky´sche Zwischenspiel von 1971-1983, als die SPÖ mit ziemlich genau 50 Prozent der Stimmen erst und letztmalig hierzulande eine linke Mehrheit bei Wahlen erringen konnte.

Das Wahlverhalten der Österreicher in den letzten 100 Jahren

Quelle: https://sora.at/wahlen/index.html

Auf der folgenden Seite von SORA: https://sora.at/wahlen/index.html kann man das Wahlverhalten der Österreicher in den letzten 100 Jahren im Detail nachlesen, sowie von SORA antizipierte Wählerwanderungen von einer Wahl zur anderen verfolgen. Dieses Tool erlaubt uns also politische Trends im Land über Generationen graphisch darzustellen. Eine politische Interpretation hierzu wollen wir vom März in diesem Artikel bereitstellen.

Politische Trends in Österreich: Was lernen wir ?

Österreich ist – das sollte erstmals keine Neuigkeit sein – ein mehrheitlich konservativ-rechtes Land in seiner politischen Orientierung. In der Zweiten Republik gab es nur zwischen 1971 und 1983 eine linke Mehrheit der SPÖ. Ansonsten herrschte stets eine bürgerliche Mandatsmehrheit hierzulande. Nicht anders war es in der Ersten Republik. Diese regierte vor allem eine bürgerliche Koalition aus konservativen Christlichsozialen und der deutschnationalen Großdeutsche Volkspartei von 1921 bis 1932, während die Sozialdemokraten in der Opposition blieben. Die Erste Republik regierte als fast durchgehend „Schwarz-Blau“ (wie man heute sagen würde). Die Sozialdemokraten waren lediglich in der Gründungsphase während einer Allparteienkoalition zwei Jahre lang politisch beteiligt (1919-1920).

Das Wahlergebnis des Jahres 1920 ähnelt etwa frappierend Umfragen aus dem Jahre 2021 oder dem Wahlergebnis 2019. Auf das konservative Lager entfielen im Jahr 1920 rund 42 Prozent, auf das linke Lager rund 36 Prozent und auf das deutschnationale dritte Lager rund 16 Prozent. Wahlen in Österreich hatten in 100 Jahren also frappierend ähnliche Ergebnisse.

Politische Konstanz: Die Stärke der politischen Lager

Österreich wird seit den 1890er Jahren von drei politischen Lagern bestimmt: Christlichsoziale, Sozialdemokraten und das freiheitlich-nationale Dritte Lager. Im Laufe der Zeit veränderten sich die Stimmenanteile, weshalb wir in diesem Artikel langjährige Trends diskutieren möchten.

Wahlergebnisse nach politischen Lagern (1919-2019)

Wie die obige Grafik zeigt erzielte das Dritte Lager ihr bestes Wahlergebnis in der ersten Republik 1927 mit 54,53 Prozent. Das aber freilich nicht aus eigener Kraft (!), sondern großteils in Form einer antimarxistischen Allianz mit den Christlichsozialen. Zusätzlich zur christlichsozialen-deutschfreiheitlichen so genannten Einheitsliste (48,20 Prozent) kam mit dem Landbund (6,33 Prozent) noch eine weitere deutschnationalen Partei 1927 ins Parlament. Die Sozialdemokraten erzielten ihr bestes Ergebnis 1979 am Höhepunkt der Kreiskyära mit 51,03 Prozent. Die österreichischen Christlichsozialen erzielten – mittlerweile als Österreichische Volkspartei – ihr bestes Ergebnis 1945 mit 49,8 Prozent.

Die bürgerlichen Parteien Österreichs, bestehend aus Christlichsozialen und Drittem Lager oszillierten meistens zwischen den Prozentmarken 50 und 55 Prozent. Einzige Ausnahme war die Kreiskyperiode 1971-1983, als die Sozialdemokratie alleine zwischen 50 und 51 Prozentpunkten erreichen konnte. Hier in der Grafik sind neben den diversen Parteien des Dritten Lagers in der ersten Republik in jüngster Zeit auch das BZÖ (NRW 2006/2008) und das Team Stronach (NRW 2013) als selbst deklarierte bürgerliche Parteien mitberücksichtigt.

Bürgerliche Mehrheit von ÖVP/CS plus drittem Lager (inklusive der Abspaltungen BZÖ im Jahr 2006/2008 und dem Team Stronach 2013)

Das christlichsoziale Lager: Die ÖVP und ihre Vorgängerparteien

Trends bei der absoluten Stimmenanzahl der Christlichsozialen/ÖVP

Im bürgerlichen Lager folgte in Österreich zunächst ein langer politischer Aufstieg des christlichsozialen Lagers auf Kosten des nationalfreiheitlichen „Dritten Lagers“ in der ersten Republik. Wo dieses in ständigen gemeinsamen Koalitionen und schließlich im antimarxistischen Wahlbündnis Einheitsliste (EL) 1927 geradezu politisch zu Tode umarmt wurde. Eine Entwicklung welche sich in den 1930er Jahren dann wieder mit dem Aufstieg der NSDAP umgekehrt hätte. Wobei die Christlichsozialen mit dem Ständestaat zuvor aber die Demokratie abschafften, bevor dies in Wahlen stärker politisch schlagend geworden wäre.

In der zweiten Republik gelang der Österreichischen Volkspartei, als Nachfolgerin der Christlichsozialen eine politische Dominanz bis zur Wahl 1966. Das beste Wahlergebnis wurde 1945 mit fast 49,8 Prozent erzielt – bedingt durch die Verbote für Parteien des dritten Lagers. Ab der Wahl 1970 fruchtete dann wieder die politische Aufspaltung des bürgerlichen Lagers durch eine gezielte Förderung der FPÖ auf Kosten der ÖVP. Nun wiederholte sich umgekehrt das, was die erste Republik in den 1920er Jahren charakterisert hatte. Das dritte Lager der FPÖ gewann nationalkonservative Wähler von der ÖVP so lange zurück, bis diese bei der Nationalratswahl 1999 mit 26,91 Prozent fast exakt gleich stark war wie die FPÖ.

Seit dem Jahr 1999 liefern sich die beiden bürgerlichen Blöcke nun wieder ein stetiges Auf- und Ab in der Wählergunst. Gewinnen die Einen, verlieren die Anderen. Die bürgerliche Mehrheit bleibt. Solange die ÖVP dabei ungeliebter Juniorpartner der SPÖ war, stiegen die Wahlergebnisse des dritten Lagers auf seinen realen Höchsstand (NRW 2008). Sebastian Kurz erkannte dieses Potential und sorgte mit einem deutlichen Rechtsruck in Abgrenzung zu seinen eher liberalen Vorgängern für eine erneute Verbreiterung der Wählerbasis der ÖVP seit 2017. Er konnte während der Coronakrise in den Umfragen mit 45 Prozent einige Zeit sogar Kurs auf eine potentielle absolute Mandatsmehrheit a la 1966 nehmen.

Die Sozialdemokratie

Trends bei der absoluten Stimmenanzahl der Sozialdemokratie

Das Phänomen der Sozialdemokraten in Österreicher ist ein stetiger Stimmenzuwachs bis zur Nationalratswahl 1979. Seitdem verliert die Partei fast kontinuierlich Wähler. Weshalb die Sozialdemokraten in der Regel seitdem langweilige sozialdemokratische Mobilisierungswahlkämpfe zur Mobilisierung ihrer Kernwähler durchführten. Garniert mit Negative Campaigning zur Demobilisierung des Gegners (siehe https://www.dermaerz.at/wahlkampftaktiken-der-spoe/). Die SPÖ ist gar nicht mehr auf einen Stimmenzuwachs außerhalb ihrer Kernwählerschaft gepolt. Weshalb die Nationalratswahl 2017 eher zufällig zur linken Kannibalisierung der Grünen führte. Die strategische Fehler machten, während gleichzeitig Kerns SPÖ-Truppe mit Silberstein so schlecht performte, dass linke Wähler zur Ehrenrettung von Platz 2 ihr Kreuz bei der SPÖ statt den Grünen machten. Und so der SPÖ 2017 den ersten Wählerzuwachs seit 2002 einbrachte. Sowie übrigens den höchsten Akademikeranteil ihrer Stimmen seit Jahrzehnten.

In der ersten Republik war die SPÖ nur 2 Jahre in Regierungsverantwortung. Dagegen in der 2. Republik dank wechselnder Koalitionen mit ÖVP und FPÖ, sowie aufgrund der betriebenen politischen Spaltung des bürgerlichen Lagers den Großteil der Zeit. Die SPÖ-Strategie gegenüber der FPÖ funktionierte dabei besonders blendend. Weil die ÖVP mehr nationalsozialistische Wähler als die SPÖ gewinnen konnte, förderte diese finanziell die FPÖ. Die dann 1970 die alleinige Regierungsübernahme der SPÖ in einer Minderheitsregierung tolerierte. Und die mit der SPÖ von 1983 bis 1986 trotz bürgerlicher Mehrheit auf Wunsch Kreiskys zusammen regierte.

Diese Strategie misslang mit dem Aufstieg Haiders, der viele sozialdemokratische Wähler gewinnen konnte. Deshalb setzte die SPÖ auf die „Nazi-Karte“ und dämonisierte nach ÖVP-Bundespräsidentschaftkandidaten Waldheim 1986 anschließend die FPÖ als Nazi-Partei. Durch öffentlichen Druck und „Ausschließeritis“ einer Zusammenarbeit mit der FPÖ erzwang man mit Unterstützung der Mainstreammedien bis 1999 eine Nichtumsetzung der bürgerlichen Mehrheit. Mit Schwarz-Blau 1999 fiel man dann nach 51 Jahren fast durchgehender Regierungsbeteiligung aus allen Wolken und Pfründen. Seit 1986 nagten zudem die Grünen beständig am roten Wählerpotential.

Das dritte Lager

Wahlergebnisse des dritten Lagers

Schon in den letzten Wahlen der k.u.k. Monarchie 1911 offenbarte sich das Potential des dritten Lagers in Deutschösterreich! Die deutschfreiheitlichen Parteien erzielten ein Ergebnis von 32 Prozent und waren stärkste politische Kraft. Mit dem territorialen Verlust der politischen Kernländer Deutschböhmen und Deutschmähren (aka Sudetenland) wurde man aber politisch geschwächt. Und gleichzeitig von den Christlichsozialen in allen Regierungen von 1920 bis 1932 zu Tode umarmt (man trat mit der „Einheitsliste“ mit diesen 1927 sogar zusammen an). Nach 1945 (ab 1949) bezahlte das Dritte Lager seine politische Nähe zu den Nationalsozialisten mit einem stagnierenden Wählerpotential zwischen zunächst noch zehn, aber bald nur mehr um die 6 Prozent. Hier begannen dann ab den 1960er Sozialdemokraten wie Kreisky finanziell und politisch der FPÖ hinter den Kulissen zu helfen, um alleinige bürgerliche Mehrheiten der ÖVP wie 1966 dadurch zu verhindern.

Aber erst Jörg Haider fand dann ab 1986 wieder die traditionelle laute politische Rolle des Dritten Lagers. Eine kritische aufsehenerregende Politik, welche schon in der Monarchie das Markenzeichen des Lagers war. Als die deutschfreiheitlichen Parteien laute Advokaten der Deutschösterreicher waren. Sowie dann Haider die FPÖ als migrationskritische Pro-Österreicher- Partei positionierte. Ab 1994 erreichte die FPÖ mit rund 20 Prozent ein politisches Potential, auf welchem sie bis heute (mit Ausschlägen von rund 5 Prozent in beide Richtungen) nun politisch regelmäßig reüssiert. Das beste Ergebnis 2008 erforderte dann aber simultan ihre politischen Talente Haider wie seinen FPÖ-Nachfolger Heinz-Christian Strache. Die mit FPÖ und respektive BZÖ getrennt (mit identem Programm) antraten und zusammen ganze 28,24 Prozent erreichten. Eine politische Aussöhnung verhinderte dann Haiders Tod 2008.

Die Haider- und Strache FPÖ ist aber durch ihre internen Spaltungen (Knittelfeld 2002) und den Ibiza-Skandal (2019) immer wieder politisch zurückgeworfen worden. Ein Grund dafür ist wohl eine schlechte Personalauswahl infolge des raschen Wachstums der Partei ab 1986.

Fazit

Politisch schloss die Erste Republik natlos an die alte Monarchie an. Freiheitliche und Christlichsoziale („Schwarz-Blau“) regierten fast durchgehend. Die Sozialdemokraten blieben langsam wachsend in der Opposition. Politisch profitierte von den Koalitionen die Christlichsozialen, während den Freiheitlichen ihre politischen Felle langsam davon schwommen. Die Abschaffung der Demokratie ab 1933 beendete dann die erste Phase der österreichischen Demokratie. Im austrofaschistischen Ständestaat gingen dann die bürgerlichen Parteien in der Vaterländischen Front auf, oder wurden wie die Sozialdemokraten verboten.

In der zweiten Republik konnte die ÖVP von Beginn an das bürgerliche Potential abschöpfen und stellte von 1945 bis 1970 ununterbrochen den Bundeskanzler. Erst Kreiskys Wahlsieg und eine Duldung der FPÖ, sowie ein erneuter Wahlsieg mit absoluter Mehrheit bei der Nationalratswahl 1971 sorgte dann für eine 12 Jahre dauernde Alleinherrschaft der SPÖ. Wir können also für die Zweite Republik seit der Nationalratswahl 1983 festhalten: Es gibt wie vor 1971 wieder eine bürgerliche Mehrheit, wobei sich in dieser ÖVP und FPÖ volantil um Stimmen matchen. Meist mit langen Abwärtstrends der ÖVP garniert dann mit umso spektakuläreren Wahlsiegen auf Kosten der FPÖ (2002, 2019). Nicht länger ist das dritte Lager nur mehr ein Anhängsel der ÖVP. Bei den beiden Regierungsverhandlungen 1999 und 2017 war man durchaus politisch auf Augenhöhe.

Die SPÖ verliert dagegen bei fast jeder Wahl seit 1983 kontinuierlich Stimmen rechts an die FPÖ, sowie links an die grüne Konkurrenz. Die SPÖ war ab 1986 nur dann politisch erfolgreich wenn sie knapp vor der ÖVP zu liegen kam und medial genug Druck gegen eine rechte Koalition mit der FPÖ aufgebaut war, oder diese aufgrund eigener Spaltungen koalitionsunfähig war. Da taten BZÖ und Team Stronach das Ihrige um scheiternde und streitende große Koalitionen wie etwa unter Bundeskanzler Faymann unnatürlich lange zu verlängern.

Politisch ist Österreich in den 100 Jahren in seinen politischen Präferenzen also relativ stabil geblieben.

Links und Quellen

https://sora.at/wahlen/index.html

Österreich. 90 Jahre Republik. Beitragsband der Ausstellung im Parlament

Geschichte Österreichs

Österreichische Geschichte: Von der Urgeschichte bis zur Gegenwart

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