Polykrise: Der Drei-Fronten-Krieg des Westens

Mit dem Krieg Israels gegen den nahöstlichen Islamismus ist der Westen (und damit insbesondere die USA) gerade dabei, in einen indirekten Drei-Fronten-Krieg zu geraten. Experten sprechen von einer so genannten Polykrise ! Indirekt deshalb, weil der Westen der Ukraine, Israel, aber im Krisenfall auch Taiwan militärische Hilfsleistungen zur Verfügung stellen müsste, direkt aber wohl eher nicht kämpfen würde. Die militärischen Güter dafür sind allerdings 30 Jahre nach dem Kalten Krieg nur begrenzt vorhanden, weshalb sich der ukrainische Präsident Selenskyj, sowie die Regierungen Israels und Taiwans durchaus Sorgen um militärische Unterstützung machen dürfen. Knappe Ressourcen könnten nämlich da wie dort kriegsentscheidend sein. Taiwan wäre insbesondere dann schwerstens betroffen, wenn das kommunistische China die geopolitische Gelegenheit für einen Angriff ergreifen sollte, weil es annimmt, dass die Amerikaner und Europäer in der Ukraine und in Israel militärisch gebunden seien.

Wir wollen in diesem Artikel die Polykrise, also den Zusammenhang der drei geopolitischen Brandherde, etwas näher diskutieren und damit deutlich machen, wie sich hier eine antiwestliche Koalition formieren konnte. Interessanterweise sind in den drei Konflikten genau DIE drei aktuellen „Erzfeinde“ des Westens präsent, vor denen seit Jahrzehnten gewarnt wird, Viele Menschen im Westen haben das aber nur zu gerne beiseite geschoben !

Die zwei großen Gegner des Westens und Russland

Die kommunistische Volksrepublik China ist heute DER geopolitische und auch wirtschaftliche Herausforderer des Westens und ist stetig bestrebt, sein Militärpotential auszubauen. Da kreuzen dann chinesische Fregatten gemeinsam mit russischen Kriegsschiffen sogar schon in der Ostsee, um ein unmissverständliches Signal zu senden: China ist nun eine militärische Großmacht. Wohl auch deshalb holte sich Putin vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine 2022 politische Rückendeckung aus China. Diese gab ihm Chinas Präsident Xi Jingping offensichtlich auch gerne, natürlich um Chinas Stellung gegen den Westen weiter auszubauen !

Der zweite große Gegner des Westens im Drei-Fronten-Krieg ist der politische Islam aka Islamismus. Dieser dominiert überall dort, wo der Islam zuhause ist, insbesondere aber im Iran, wo er den Staat massiv geprägt hat. Dazu kommen radikalislamische Terrorgruppen, wie die Hamas und die Hisbollah im Sold des Iran, die von diesen Überzeugungen angetrieben werden. Zusätzlich natürlich existiert der politische Islam auch immer stärker im Westen selbst, was sich etwa in zahlreichen Terroranschlägen manifestiert. Islamisten streben nach der Weltherrschaft und sehen dabei insbesondere Israel, aber auch den Westen als ihre großen Gegner. Aus diesem Grunde finanzieren der schiitische Iran, aber auch sunnitische Staaten wie Katar gerne antiwestliche Terrorgruppen, denn sie destabilisieren die westliche Weltordnung.

Russland hingegen ist eigentlich nicht der natürliche Feind des Westens, sondern wäre in einer idealeren Welt wohl sogar ein nützlicher Verbündeter, könnte es doch China in Zentralasien entgegentreten und den politischen Islam im Kaukasus und im Nahen Osten niederhalten. Mit seiner Orthodoxie wäre das Land eine ideale Ergänzung für Europas Stabilität an seiner Ostflanke. Freilich ist das aber leider nur ein hypothetisches „wäre“, weil Russland sich für einen desaströsen Kriegskurs in der Ukraine entschieden hat, um Präsident Putins Gesicht zu wahren. Der hat nämlich 2022 alles auf eine Karte gesetzt und ist damit krachend gescheitert. Sein 3-Tages-Feldzug zur politischen Unterjochung der Ukraine dauert nun bald 2 Jahre und die russischen Verluste wachsen stetig. Die Ukraine ist für den Kreml politisch verloren, weshalb Putin 18% des Staatsgebiets als Trostpreis annektieren will und die Russen zahlen dafür einen furchtbaren Preis: Hunderttausende slawische junge Männer sind bisher völlig sinnlos verheizt worden.

Die Front in der Ukraine

Seit dem 24. Februar 2022 tobt nun der Krieg in der Ukraine, bei dem es den Russen um die Unterwerfung und quasi-Kolonialisierung der Ukraine geht. Diese hält mit westlicher Militärhilfe erfolgreich dagegen und hat Russland damit bereits unglaubliche Verluste an Material und Soldaten beschert. Russland hat mit den Schlachten um Kiew, Charkiw und Cherson auch bereits drei wichtige Kämpfe verloren, hält sich aber zäh auf rund 18% des ukrainischen Landes im Osten, einem Gebiet, von dem es aber etwas weniger als die Hälfte bereits seit dem Jahr 2014 kontrolliert. Für die Einnahme von nur rund 10% des ehemaligen sozialistischen Bruderlandes hat Russland also enorme Aufwände und Verluste zu beklagen.

Ganz abgesehen von unserer kulturellen und geographischen Verbundenheit mit den Ukrainern ist für den Westen die Unterstützung der Ukraine – entgegen vieler Kritik – vor allem deshalb alternativlos, da der Ausgang dieses Krieges eine wichtige politische Botschaft aussenden wird. Würde Russland gewinnen und sich die ganze Ukraine oder Teile der Ukraine sichern, dann hätten die unfreien Diktaturen über den demokratischen Westen in Europa gesiegt. Russland setzt ja auf Material aus den diktatorischen Bruderstaaten Iran, Nordkorea, China et cetera. Bereits der peinliche Abzug des Westens aus Afghanistan hat hier wohl schon politische Schockwellen ausgesandt, die nicht zuletzt Putin mitbeflügelt haben werden, dieses militärische Abenteuer einzugehen!

Eine Niederlage Kiews wäre dagegen auch ein Signal an Peking, es vielleicht doch in Taiwan zu versuchen und wäre zugleich eine Bestärkung des Irans und anderer Feinde westlicher Staaten.

Der Freedom House Index (2020): Freie, teilweise freie und unfreie Staaten im Jahr 2020. Seit dem Jahr 2023 muss man den Niger und auch Tunesien zum Block der Unfreien dazuaddieren. Womit es kein „freies“ arabisches Land im Nahen Osten mehr gibt.

Der Krieg Israels gegen den islamischen Terror (und Iran?)

Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Ära der Weltkriege, die zweite die Ära des Kalten Krieges. Im 21.Jahrhundert hat die Ära der Muslim-Kriege begonnen.

Samuel Huntington (2002); Quelle: https://www.zeit.de/2002/37/Die_blutigen_Grenzen_des_Islam

In seinem epochalen Geschichtswerk „Kampf der Kulturen“ hat der amerikanische Politologe Samuel Huntington bereits 1996 von den „blutigen“ Grenzen des Islam gesprochen, von „Bruchlinienkonflikten“ , wo muslimische Siedlungsgebiete an die Gebiete Andersgläubiger grenzen. Der Krieg des muslimischen Aserbaidschan gegen das christliche Armenien und die ethnische Säuberung eines 2000 Jahre alten armenischen Gebiets in Bergkarabach war etwa ein solcher. Der Krieg der Hamas gegen Israel ist es ebenso. Die Rivalität zwischen Muslimen und „dem Westen“ ist dabei schon sehr alt. Viel älter als es sich so mancher linke 68er in Europa eingestehen will:

Es ist in der Tat eine historische Rivalität, die seit dem 7. Jahrhundert besteht, seit der Geburt des Islams und der arabischen Eroberung Nordafrikas, des Nahen Ostens und weiter Teile Europas. Im 19. Jahrhundert wendete sich das Blatt – als der Westen den Nahen Osten zu kolonisieren begann und das im 20. Jahrhundert komplettierte.

Samuel Huntington (2002); Quelle: https://www.zeit.de/2002/37/Die_blutigen_Grenzen_des_Islam/komplettansicht

Aber zurück zum Israelkrieg, wo interessanterweise der schiitische Iran eine sunnitische Terrorgruppe (die Hamas) großzügig finanziert, um gegen den jüdischen Staat zu kämpfen. Interessant deshalb, weil Sunniten und Schiiten sich sonst traditionellerweise selbst gerne bekriegen und die Schiiten von sunnitischen Auslöschungsversuchen immer wieder betroffen waren und noch immer sind! Um in der Region nachhaltig überleben zu können, muss Israel nun- nach den mehr als tausend Totenmilitärische Härte zeigen. Dafür wird es den Gazastreifen befrieden , das Westjordanland niederhalten und die Hisbollah von einem Angriff abschrecken müssen. Bei letzterem helfen die Amerikaner, indem sie Flugzeugträgerkampfgruppen in die Region verlegen, die gegen die Hisbollah eingesetzt werden sollen !

Würde Israel mit seinem Ansinnen scheitern, dann würde das den ganzen Nahen Osten destabilisieren und islamistische Gruppen und Endzeitsekten würden weiteren Zulauf bekommen. Mehr Terror, mehr Flüchtlinge und mehr Instabilität wären wohl die Folge. Genau deshalb hilft der Westen Israel, abgesehen davon, dass es kulturell und ethnisch ein wichtiger Teil des Westens ist.

Die Taiwan-Frage

Bei der Kontrolle über Taiwan geht es letztlich um die Seeherrschaft im Westpazifik. Dort erstreckt sich von Südkorea über Japan bis Taiwan und die Philippinen ein Block demokratischer Staaten, die geographisch dem kommunistischen China diesen Seeweg versperren könnten. Genau deshalb beansprucht China ja nicht nur Taiwan, sondern auch einige japanische Inseln nördlich von Taiwan und philippinische Hoheitsgewässer und Riffe im südchinesischen Meer.

Um die so genannte „Erste Inselkette“ (Japan-Taiwan-Philippinen) durchbrechen zu können, wird Chinas Militär und Flotte stetig aufgerüstet, sodass China mittlerweile die quantitativ größte Marine auf der Welt besitzen dürfte. China blickt mit Argusaugen auf die USA und simuliert in Kriegsspielen, wie ein Konflikt mit Taiwan und den USA ausgehen könnte. Deshalb ist es für die USA essentiell, genügend Abschreckung in der Region bereitzustellen, sodass China auf keine falschen Ideen kommt und einen weiteren teuren und wirtschaftlich katastrophalen Krieg riskiert. Amerikanische Munition, Soldaten, Kriegsschiffe und Material sind also im Westpazifik gebunden und zwar genau mit dem Ziel, möglichst nicht eingesetzt zu werden. Der Drei-Fronten-Krieg um Taiwan ist also noch zum Glück ein kalter Krieg und geht es nach dem Westen, sollte das auch so bleiben.

Die politischen Zusammenhänge

Abschließend wollen wir nun diskutieren, wie und warum diese drei Konfliktherde miteinander verknüpft sind und warum es gegenseitige Wechselwirkungen gibt. Abgesehen vom bereits diskutierten Exempel, das jeder Kriegsausgang darstellt, gibt es hier überall politische Zusammenhänge.

Vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine gab es ein mehrtägiges Treffen mit China, wo Präsident Putin sich politische Rückdeckung vom autoritären südlichen Nachbarn geholt hat. Im Ukrainekrieg wurde Russland auch immer weiter von iranischen Drohnenlieferungen abhängig, was zu einem engeren Bündnis der beiden Pariastaaten geführt hat. Der Iran wiederum finanziert schiitische Milizen im Irak, in Syrien, im Jemen und im Libanon und dazu sunnitische Terrorgruppen in Palästina, die dann gegen westliche Staaten wie Israel und die USA kämpfen, bzw. gegen deren Verbündete wie Saudi Arabien (im Jemen).

Die Hamas hätte ohne iranische Zustimmung und ohne iranisches Militärmaterial wohl nicht derartig gegen Israel losgeschlagen. Russland und der Iran stimmen sich in Syrien in ihrer Politik ab. Ein Israelkrieg kommt Russland sicher nicht ungelegen, denn der könnte dabei helfen, westliche Ressourcen aus der Ukraine abzuziehen. Die Chinesen wiederum haben mit islamistischem Terror nichts zu tun, schließlich kämpfen sie selber gegen die islamistischen Kämpfer der uigurischen Minderheit im eigenen Land . Sie warten aber auf eine Schwäche des Westens, um die Insel Taiwan zu erobern, die seit Jahrzehnten unter dem militärischen Schutzschirm der USA steht.

Verzettelt sich der Westen also nachhaltig im Drei-Fronten-Krieg, dann würden das die involvierten Mächte für sich ausnützen. Russland würde alles tun, um eine schmachvolle Niederlage in der Ukraine zu vermeiden, die Hamas und die iranischen Terrorgruppen würden weiter gegen den Westen und Israel kämpfen und Xi Jingping würde die Unterjochung Taiwans vorantreiben.

Fazit

Der Westen hat also mit der aktuellen Polykrise ein geopolitisches Kunststück zu bewerkstelligen, das nicht gerade einfach ist. Die Ukraine muss weiterhin gegen Putins Russland dagegenhalten können. Israel muss die Hamas entscheidend schlagen können, während der Nahe Osten idealerweise weitgehend stabil bleiben sollte. Abschließend muss die amerikanische Abschreckung um Taiwan für China so glaubwürdig sein, dass China nicht einen Krieg gegen Taiwan (und damit die USA) beginnt. Dafür braucht man vor allem eines: Viel Material, politischen Willen und noch viel mehr Munition. Die Demokratie mag nämlich eine gute Idee sein, gegen Autokraten und Terroristen verteidigt sie sich am Ende aber auch nur durch Militär und ausreichend Waffen und Munition.

Letzteres ist auch die große Gemeinsamkeit aller drei Konfliktherde. Sowohl in der Ukraine, wie in Israel und Taiwan träumen autokratische diktatorische Mächte (Russland, Hamas/Hisbollah/Iran, China) davon, demokratische Nachbarländer zu zerstören und dann zu annektieren. Würde der Westen hier einen oder gleich alle drei Konflikte in dem Drei-Fronten-Krieg verlieren, dann wäre es um den Stand der Demokratie in der Welt auch nicht mehr gerade gut bestellt.

Wir, der Westen, brauchen also vor allem eines: Resilienz und in der Folge strategische Geduld! Sowohl Russland, wie der Iran und China sind wirtschaftlich äußerst verwundbar und haben allesamt Gesellschaften, die sich gegen ihre Regierungen stellen würden, käme es zu sehr hart auf hart . Höchste Offiziere in Chinas Raketenstreitkräften haben bereits in letzter Zeit ihrerseits rebelliert, indem sie strategische Geheimnisse der eigenen Streitkräfte an die USA verraten haben. Warum? Sie wollen durch diese Preisgabe den zunehmenden Kriegskurs Xi Jingpings konterkarieren, indem sie die chinesische Position selbst schwächen. Den dafür zu zahlenden Preis, nämlich Todesurteile, haben Sie offenbar bewusst in Kauf genommen ! Diese Offiziere möchten eben keinen Krieg führen, der die Welt an einen neuen Abgrund bringen könnte !

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Links & Quellen

https://www.zeit.de/2002/37/Die_blutigen_Grenzen_des_Islam

https://www.youtube.com/watch?v=SD31pnFiZCA

https://www.diepresse.com/13566212/verschwundene-generaele-xi-jinping-raeumt-bei-chinas-raketenstreitkraeften-auf

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