Türkei – Wer fürchtet die Krallen eines Papiertigers?

Die Türkei hat in nicht einmal 4 Jahren nun Soldaten in Libyen, Syrien und im Irak stationiert. Das Land beansprucht ungeniert griechische und zypriotische Hoheitsgewässer und attackierte letztens sogar ein französisches Kriegsschiff. Von der türkischen Regierung finanzierte Söldner führen Kriege für islamistische Koalitionen in Syrien wie in Libyen. Im Irak werden wie in Syrien türkische Stützpunkte auf fremden Staatsgebiet errichtet und das NATO-Land investiert zudem in die russische Militärtechnologie. Etwas das man als NATO-Mitglied eigentlich unterlässt. Zusätzlich verscherzt es sich die Erdogan Regierung durch die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee mit vielen christlichen Nachbarländern. Und das alles während die Türkei wirtschaftlich ziemlich schwach aufgestellt ist. Wir vom März stellen uns daher die Frage: Was ist da eigentlich los im östlichen Mittelmeer?

Die jüngste türkische Expansion im Nahen Osten

Das der türkische Präsident Erdogan das osmanische Reich am liebsten restaurieren würde weiß man schon lange. Ähnliches gilt für viele Nationalisten in seiner regierende Partei AKP. Ebenso bekannt ist aber auch die Unbeliebtheit der Türkei und der Türken in der Region unter den Arabern. Das Tempo, mit dem die Türkei in den letzten 2,3 Jahren bei der Einverleibung von Gebieten vorgegangen ist, ist deshalb umso mehr bemerkenswert. Ebenso beispiellos ist das westliche Versagen. Hier sticht besonders die Ignoranz der aktuellen US-Administration sowie die Schwäche der EU hervor. Diese hätten längst die wirtschaftlich höchst schwache und vom Westen abhängige Türkei in die Schranken weisen müssen. Erdogans Anbiederungen an Russland haben der Welt eigentlich gezeigt, wie schwach die Türkei eigentlich ist sobald sie auf echten Widerstand trifft.

Wie man auf der Karte sieht ist die Türkei Stand August 2020 militärisch in vielen Nachbarländern aktiv. Sie befindet sich dazu in vor ihr ausgelösten maritimen Grenzkonflikten mit Zypern, Griechenland, Israel und Ägypten. Ihre Söldner kämpfen in Libyen und in Syrien. Und Teile Syriens werden gerade defakto annektiert, so wie es die Türkei schon 1974 in Nordzypern vorexerziert hat. Im Irak hat die Türkei ebenfalls einige Militärstützpunkte erzwungen und türkisches Militär greift immer wieder unilateral militärisch im Nordirak ein, was die Iraker immer mehr empört.

Die Agenda der Erdogan-Türkei

Der Türkei mit ihrer „neoosmanischen“ Agenda hilft dabei oft die von ihr selbst mitgeförderte Instabilität. Dies geschah etwa indem sie den IS oder islamistische Rebellen in Syrien einige Zeit unterstützten, bis die türkische Armee dann selbst interveniert um die Lage „zu stabilisieren“. Wegen all der Terrorgruppen in ihrer Nachbarschaft. In Libyen wurden zunächst Waffen an eine Seite und dann gleich ganze syrische Söldnertruppen geliefert. Dafür lässt sich die Türkei mit Schürfrechten im Mittelmeer „bezahlen“ und forciert die Kämpfe in dem gespaltenen Land, wo Clans und Warlords um Einfluss ringen. Gleichzeitig gewinnt die Türkei Einfluss in Libyen und kann damit auch über diese Flüchtlingsroute Druck auf Europa ausüben. Die Türkei mischt also bei der Flüchtlingsfrage, in Syrien, in Libyen mit und beeinflusst indirekt auch die Schengenpolitik der EU. Erdogan übt also momentan einen Einfluss aus, der weit über seinen Möglichkeiten liegt. Dazu kommt das er permanent demokratische Regeln verletzt.

Wer seine islamistische imperiale Machtpolitik immer noch nicht ernst nehmen will, der sollte Erdogan einfach selbst zuhören. Bei seiner Fernsehrede anlässlich der Umwandlung der Hagia Sophia (der lange Zeit wichtigsten Kirche der Christenheit) in eine Moschee, sprach er von einem wichtigen Schritt auf dem Weg zur „Befreiung“ der al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Das also ist 100% ungefiltert Erdogan und seine Türkei. Die al-Aksa Moschee ist heute übrigens „frei“ und wird vom jordanischen König indirekt verwaltet. Seine Anspielungen sind daher ein Statement gegen Israel und dessen territoriale Integrität.

Der „Papiertiger“ Türkei

Die Türkei hatte laut IWF 2019 mit über 80 Millionen Einwohnern ein vergleichbares Bruttoinlandsprodukt (BIP) wie die Schweiz mit ihren 8 Millionen Einwohnern. Deutschland hatte dagegen mehr als das 5-fache BIP bei einer vergleichbaren Einwohneranzahl. Schaut man rein auf die Staatseinnahmen in Mrd. USD wird das Bild für die Türkei noch trister: Österreich mit seinen 8,5 Millionen EW hatte Stand 2017 um 20 Milliarden USD höhere Staatseinnahmen p.a. als die Türkei. Vielleicht sollten wir – Achtung Ironie – also auch über eigene Söldnerarmeen im Nahen Osten nachdenken 😉

Dazu kommt eine notorisch schache Wirtschaft, die sehr vom Tourismus abhängig ist, eine instabile Währung (Türkische Lira) und eine Abhängigkeit von Exporten in die EU. Die Türkei hat zudem eines der weltweit höchsten Leistungsbilanzdefizite weltweit ! Die türkische Kreditwürdigkeit liegt auf den Weltmärkten im „Ramschbereich„. Was bedeutet das Investoren abgeraten wird türkische Staatsanleihen zu kaufen. Die Arbeitslosigkeit, wie auch die Jugendarbeitslosigkeit sind notorisch hoch.

Die gescheiterte Außenpolitik der Türkei

Dazu kommt das die Türkei außenpolitisch gegenwärtig ziemlich isoliert ist. In der Region ist sie nur mit dem ebenfalls isolierten Kleinstaat Katar und mit der Terrororganisation Hamas verbündet, sowie mit einer der Fraktionen im libyschen Bürgerkrieg. Gegenwärtig stehen sich aber zwei mächtige „Machtdreiecke“ im Nahen Osten gegenüber und die Türkei ist bei keinem davon dabei, wie die folgende Karte zeigt. Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen da mit Israel und Ägypten und der Unterstützung der USA auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist die Koalition der Schiiten unter Führung des Irans, bestehend aus Irak, Iran, Syrien und der Hisbollah im Libanon. Diese Koalition wird in Syrien dann auch noch entscheidend von Russland unterstützt.

Die zwei Machtblöcke im Nahen Osten – die Türkei ist außen vor

Einen gewissen Einfluss haben die USA und damit der Westen allerdings auch im Irak, bedingt durch ihre Soldaten vor Ort, sowie ebenso in Katar. Im Libanon wie im Jemen stehen die zwei Machtblöcke direkt gegeneinander. Die Türkei spielt keine Rolle. Abseits der eigenen Grenzen gilt das türkische Wort nur in Katar und vielleicht bei den Palästinensern. Dies änderte sich erst mit der Intervention der Türken 2020 in Libyen. Dort stehen sie nun der Saudi-Koalition (und übrigens auch Russland) frontal gegenüber und haben sich somit mit einem der zwei „Machtdreiecke“ direkt militärisch angelegt.

Die Handlungsspielräume der EU

Die Lage in der Ägis spitzt sich aktuell gerade zu. Ankara schickt Schiffe in griechische Gewässer um einfach nach Rohstoffen zu suchen. Macron entsendet nun Kriegsschiffe, Merkel will wieder einmal vermitteln und die Griechen versetzen ihr Militär in Alarmbereitschaft. Das ist alles Stückwerk und keine vereinte europäische Antwort. All das ändert nichts daran, dass Erdogan in der Ägäis und anderswo Fakten schaffen will. Die EU muss dagegen vereint auftreten und Erdogan einen hohen wirtschaftlichen Preis zahlen lassen, sollte er die Situation weiter eskalieren. Das sollte bei der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Türkei von Europa durchaus nicht so schwierig sein. Wenn die EU allerdings ihre griechischen und zypriotischen Seegrenzen nicht schützen kann, wer soll Sie dann außenpolitisch künftig noch ernstnehmen? Ankara handelt eindeutig illegal provozierend mit der Entsendung von Bohrschiffen und es wird dies weiterhin tun, bis von der EU Grenzen gesetzt werden.

Fazit

Die Erdogan-Türkei erpresst die EU mit Flüchtlingswellen und okkupiert immer noch Nordzypern mit zehntausenden Soldaten (Staatsgebiet eines EU-Mitgliedslandes). Sie attackiert Kriegsschiffe von europäischen NATO-Verbündeten und versucht sich ohne Rechtsgrundlage zypriotische, griechische und israelische Gasfelder im Mittelmeer durch Gewalt an den Nagel zu reißen. Ebenso annektiert sie einfach Gebiete in Syrien und stationiert Truppen im Irak. Sie finanziert islamistische Kämpfer in Libyen und Syrien und ist verantwortlich für die Vertreibung von zehntausenden Kurden. Dabei starben natürlich auch viele Kurden – Kämpfer wie Zivilisten. Und der WESTEN UNTERNIMMT NICHTS.

Die außenpolitische Zurückhaltung der Amerikaner seit Präsident Obama und unter dem Isolationisten Präsident Trump wird dabei ebenso schmerzlich deutlich, wie die außenpolitische Unfähigkeit der EU. Merkel lässt sich für Milliarden an Türkei-Subventionen feiern, während Erdogan die Syrer nutzt um die Europäer zu erpressen. Putin dagegen konnte die Türkei leicht mit diplomatischen und wirtschaftlichem Druck (Reisebeschränkungen, Importsperren) zur Raison bringen. Während die EU mit ihrer ungleich größeren wirtschaftlichen Stärke den daraus resultierenden Einfluss viel zu wenig nutzt.

Quellen und Links

Fokus, Kreditwürdigkeit der Türkei (2919): https://www.focus.de/finanzen/boerse/kreditwuerdigkeit-fitch-senkt-kreditwuerdigkeit-tuerkei-rutscht-immer-tiefer-in-den-ramschbereich_id_10922965.html

IWF-Daten, siehe: https://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2019/02/weodata/index.aspx

CIA Factbook, Staatsbudgets der Länder weltweit, siehe: https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/224.html

Wieland Schneider, in „Die Presse“ vom 13.08.2020: Wut in Bagdad über tödlichen Drohnenangriff: S.4

Der Spiegel (Nr.34/ 14.08.2020): Erdogans Botschaft. S. 73

https://www.handelsblatt.com/politik/international/mittelmeer-gasstreit-mit-griechenland-tuerkei-verstaerkt-militaerpraesenz/26099110.html?ticket=ST-7896493-b2htfGUzV7rh7CCFxIA1-ap3

Alfred Hackensberger, in „Die Presse“ vom 14.08.2020: Warum Athen US-Hilfe gegen Erdogan sucht: S.2f.

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