Expertenregierung – Quo vadis? Ein Realitätscheck!

Bundeskanzleramt am Ballhausplatz; Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fd/Bundeskanzleramt_Ballhausplatz_Wien_2007.jpg

In diesem Artikel möchten wir vom März uns mit dem Thema „Expertenregierung“ beschäftigen. Von vielen politmüden Österreichern wird eine Expertenregierung ja oft herbeigewünscht, wobei immer der Wunsch mitschwingt, dass man sich der unbeliebten Politiker entledigt. Aktuell erklingt etwa bei politikmüden Österreichern, bei der außerparlamentarischen Opposition der Coronakritiker, oder bei Teilen der österreichischen Linken ein verhaltener Ruf nach einer Expertenregierung. Alles werde dann besser, so die Überzeugung, sobald die „lügenden und egoistischen Politiker“ um Kurz & Co. endlich gegen „Experten“ ausgetauscht werden.

Die Salzburger Nachrichten berichteten etwa jüngst von zahlreiche Leserzuschriften, welche Hoffnungen nach einer Expertenregierung äußerten, die nur von rein nüchternen und sachlichen Gesichtspunkten geleitet würde. Das Thema bewegt also offenbar die Menschen in Österreich. Es regt sich Nostalgie nach der ruhigen, langweiligen Ära Bierlein, als diese mit einem Experten- und Beamtenkabinett das Land ein halbes Jahr 2019 regierte. Unterschiedlichste Bürger projizieren also ganz verschiedene Erwartungen an ein Expertenkabinett.

Wir wollen uns in diesem Artikel also mehrere Fragen ansehen: Wird wirklich alles besser wenn die Experten regieren? Was hat das für realpolitische Folgen? Welche Vorhaben werden umgesetzt, was bleibt höchstwahrscheinlich „politisch liegen“? Wie reagieren die Parteien im Parlament auf die Expertenregierung? Mit dem Kabinett Bierlein hatte Österreich ja erst vor kurzem im Jahr 2019 für rund ein halbes Jahr seine erste Expertenregierung.

Die Wunschvorstellungen der Österreicher

Mit den Berichten über Streit in der Koalition, Versagen bei der Corona-Politik und Postenschacher verlor die aktuelle Türkis-Grüne Regierung rasch Zustimmung im APA/OGM Vertrauensindex. Ganz vorne in der Beliebtheitsskala sind aber noch die aktuellen „Expertenminister“ der Regierung gereiht: Minister wie der kürzlich berufene Arbeitsmarktexperte Martin Kocher, oder auch der Universitätsprofessor Bildungsminister Heinz Fassmann. Es wird also differenziert zwischen Politikern und Experten. Die aktuellen Hoffnungen der Bevölkerung sind klar: eine bessere Impfkampagne, eine nachvollziehbare Corona-Politik, kein Postenschacher und möglichst keine unappetitlichen Handynachrichten. Keine Verpflichtungen der Minister gegenüber den Parteien. Exzellente Ausbildung, objektives und politisch unabhängiges Handeln. Man erhofft sich sicher auch bessere Erklärungen der Maßnahmen. Denn niemand versteht mehr die weichen, mittleren und harten Lockdowns. Politiker wirken in ihren Ämtern in der Bundesregierung wie auch in der Opposition aktuell immer wieder überfordert und schlagen thematisch Piruetten.

So haben Österreichs Landeshauptleute bis Jahresbeginn 2021 alle epidemologische Verantwortung und die unpopulären öffentlichen Entscheidungen an die Bundesregierung delegiert und hintertrieben, wenn es sie selbst betraf. Begleitet von einem zögerlichen Gesundheitsminister, der erfolglos zwischen den Polen zu vermitteln versuchte, was er selbst bei seiner Rücktrittsrede eingestand. Politische Verantwortung wurde also im Kreis herumgeschoben. Die Bevölkerung sah dabei irritiert zu, wie wegen der Wiener oder Kärntner Gemeinderatswahl Hochinzidenzgebiete nicht abgeriegelt wurden. Und sie wurden zynisch, als dann nach den Wahlen Lockdowns und Ausgangstestungen und – Sperren verhängt wurden. Die ganze zweite Welle wurde dabei nicht zuletzt wegen der Wiener Gemeinderatswahl und der roten Angst einer Abstrafung durch den Wähler zu lange ignoriert und politisiert. Im Vorwahlkampf gerierte sich der rote Gesundheitsstadtrat als Ausputzer gegen die Coronamaßnahmen und Kritik der Bundesregierung. Parteipolitik trat an die Stelle politischer und epidemologischer Verwantwortung.

Die Frage ist nun: Hätte diese Corona-Politik ein reines Expertenkabinett besser machen können?

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7a/Der_Bundesminister_f%C3%BCr_Europa%2C_Integration_und_%C3%84u%C3%9Feres_%2848000352997%29.jpg
Das Expertenkabinett Bierlein bei der Angelobung am 3. Juni 2019; Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_Bundesminister_f%C3%BCr_Europa,Integration_und%C3%84u%C3%9Feres_(48000352997).jpg

Die Realität: Das Kabinett Bierlein

Nach der Absetzung der Regierung Kurz I durch das Parlament trat die ehemalige Präsidentin des Höchstgerichts Brigitte Bierlein mit einem großen Vertrauensvorschuss auf Vorschlag des Bundespräsidenten Van der Bellen das Amt der Bundeskanzlerin an. In ihrer Regierung war 6 Männer und 6 Frauen vertreten, allesamt Experten aus ihren Fachgebieten. Mit politischen Naheverhältnissen zu allen Parteien. In ihrer Regierungserklärung im Parlament versprach Bierlein – No na – einen Dialog mit allen politischen Parteien in Zukunft führen zu wollen. Motto war: „Verwalten statt Gestalten“. Das wirkte sich aus, denn schon im November urteilte die Presse:

Das Kabinett Bierlein ist wohl eines der beliebtesten in der Geschichte der Republik. „Vielleicht, weil Bierlein so wenig sagt“, mutmaßt Rosa Schmidt-Viertaler.

Die Presse; Quelle: https://www.diepresse.com/5717793/was-hat-die-ubergangsregierung-richtig-gemacht-was-falsch

Wer keine kontroverse Politik angreift, wird niemanden Munition zur Kritik geben. Die Übergangsregierung, so Urschitz in der Presse, beweise, dass man mit dem Motto „Nur keine Wellen“ politisch erfolgreich sein kann. Inserate wurden zusammengestrichen und Kabinette verkleinert, was auf breite Zustimmung stieß. Aber eben auch ein Anzeichen politischer Inaktivität ist. Der Verteidigungsminister beklagte den Zustand des Bundesheeres, wie der Justizminister den der Justiz, beide bekamen aber nicht mehr Budget. Die Bildungsministerin setzte den türkisen Kurs mit Deutschklassen unaufgeregt fort und bedauerte Mittelmaß bei der Pisa-Studie und Feinadjustierungen der Zentralmatura. Der Innenminister schickte Experten ins umstrittene BVT, umbauen musste es aber der türkise Nachfolger. Die Nachhaltigkeitsministerin blieb bei ihrem wichtigsten Auftritt bei der Klimakonferenz in Madrid zurückhaltend. Gegen die Pkw-Maut-Befreiung kämpfte erfolglos der Verkehrsminister.

Das Expertenkabinett mag also durchaus das Richtige gewollt und mit kompetenten Leuten besetzt gewesen sein. In Regierung muss man aber das Richtige auch durchsetzen können. Es gilt widerspenstige Landeshauptmänner, Parlamentarier, Kammerpräsidenten und Seilbahnbetreiber zu überzeugen und auf den „richtigen Weg“ zu zwingen. Es braucht den persönlichen Einsatz von Machtpolitikern, die politische Autorität genießen. Womit wir zur Rolle der Parteien kommen.

Die Rolle der Parteien in unserem politischen System

Kanzlerin Bierlein konnte freilich nicht ohne das Parlament regieren, schließlich muss die Legislative die Exekutive ja kontrollieren können, außerdem hat die Legislative bei den Gesetzen per Beschluss das letzte Wort. Selbst in der kühnsten Phantasie könnte man sich etwa zusätzlich zur Expertenregierung ein Parlament voller Experten nicht vorstellen, denn dieses wäre ja in keinem Fall repräsentativ für die Bevölkerung. Es wäre zudem nicht sehr demokratisch per Konstrukt einen Großteil des gemeinen Wahlvolkes vom indirekten Wahlrecht auszuschließen, um eine „Diktatur der Intelligenz“ zu ermöglichen. Denn nur 1 Million der Österreicher sind auch ausgebildete Akademiker, was wohl eine Grundvoraussetzung für den „Expertenstatus“ wäre. Denkt man das ganze zu Ende, wäre ein „Experten-Parlament“ letztlich wohl ein großer Universitätssenat mit Professoren aller Fachrichtungen. Das ist undenkbar!

Also muss in der Realität auch eine Expertenregierung mit den traditionellen Parteien umgehen können. Das bedeutet in Österreich bei einer stabilen Türkis-Blauen Mehrheit, dass man auf jeden Fall die Stimmen einer dieser beiden Parteien braucht um eine Mehrheit zu bekommen. Gegen die ÖVP (37 %) braucht es etwa aktuell eine geschlossene Front aller anderen Parlamentsparteien außer den NEOS, ansonsten geht sich das mehrheitsmäßig nicht aus ! Wenn sich ÖVP und FPÖ wie aktuell in Asylfragen einig sind, gibt es schlicht keine Mehrheit für eine alternative Flüchtlingspolitik.

Eine Expertenregierung hätte in solchen Fragen wenig bis keinen Handlungsspielraum, weil das Parlament einen renitenten Minister sofort absetzen könnte. Dafür werden FPÖ und ÖVP ja auch gewählt, womit sie keine Angst vor einem politischen Preis einer Neuwahl haben müssten. Anders wäre es freilich bei softeren Themen, wie dem Transparenzgesetz, wo man Parteien wohl zu einer Zustimmung bewegen könnte, basierend auf der „politischen Scham“ einer unpopulären oder dem Wähler zumindest nur schwer erklärbaren Ablehnung. Vorausgesetzt natürlich die Maßnahme bekommt medial und politisch ausreichend Aufmerksamkeit! Ansonsten herrscht Stillstand !

Bilanz der Expertenregierung: Breite Zustimmung zum Stillstand

Was blieb also an politischen Reformvorhaben in der Ära Bierlein liegen?

Ein praktisches Beispiel einer Maßnahme welche mit Türkis-Blau untergangen ist und bis heute im geplanten Umfang nicht so umgesetzt wurde, ist die Steuerreform. Die kleine und mittlere Einkommen entlastet hätte, weil sie einen Teil der kalten Progression den Bürgern wieder zurückerstattet hätte. Ein in Österreich traditionell alle paar Jahr exerzierter Umverteilungsvorgang, der politisch gewünscht ist. Ansonsten hätte man nämlich die Steuersätze automatisch an die Inflation angepasst. In Ländern wie der Schweiz ist das passiert – die kalte Progression wurde damit teilweise obsolet. Das Kabinett Bierlein hatte für ein derartiges Großvorhaben einer Steuerreform aber kein politisches Kapital, was zur Folge hatte das viele Österreicher bis heute mehr Steuern bezahlen, als sie das mit einer „normalen“ handlungsfähigen Regierung hätten machen müssen. Sie zahlen nämlich weiterhin „ihre“ jeweilige kalte Progression mit den Steuern mit und bezahlen somit real letztlich mehr als ursprünglich vom Gesetzgeber intendiert. Der „bösen“ Inflation und der starren Einkommenssteuergrenzen geschuldet.

Ebenso gescheitert ist die – politisch in der vorgeschlagenen Form freilich umstrittene, aber letztlich wahrscheinlich doch sinnvolle – Reform der Bankenaufsicht. Die jüngsten Pleiten bei der Meinl-Bank wie bei der Kommerzialbank zeigen nämlich deutlich, dass hierzulande die Bankenaufsicht reformbedürftig ist. Eine Zusammenfassung aller Prüfer wie der Letztverantwortlichen in einem Haus statt 2 dürfte doch die Schlagkraft einer Behörde signifikant erhöhen. Anstelle der jetzigen Lösung wo die Bankenaufsicht 50-50 auf die Finanzmarktaufsicht (FMA) sowie die Österreichische Nationalbank (OeNB) aufgeteilt ist. Aktuell gibt es in der OeNB ganze 4 politisch besetzte Vorstände (türkis-blau), während die FMA von einem türkis-roten Duo regiert wird. Eine politische Konzentrationsregierung fast aller Parteien also, die im Falle der im „roten“ Einflussbereich liegenden burgenländischen Kommerzialbank zuwenig genau hingeschaut haben. Wie davor schon bei der ebenso „roten“ BAWAG oder der „blau-orangen“ Hypo-Alpe-Adria Bank.

Die Frage der politischen Verantwortung

In einer Demokratie erinnern Meinungsumfragen, Wahlen und auch Proteste die Politiker an ihre jeweilige politische Verantwortung und machen ihnen den Wählerwillen deutlich. Ein Experte jedoch hätte keine politische Konsequenzen zu tragen, weshalb sich wohl die Meinung durchsetzen würde, die den Experten durch Berater, Beamte und Lobbyisten direkt erreicht. Die Unternehmer- und diversen anderen Lobbys gehen ja heute schon in den Ministerien und in den Kammern ein aus und würden ihre Arbeit natürlich nicht einstellen, nur weil die Regierung plötzlich aus Experten bestünde. Wegfallen würde der politische Kontakt zum Bürger, zu den Parteiorganen und den Meinungsbildungsmechanismen, die in der traditionellen Politik so vorherrschen.

Man darf also scharf davon ausgehen, dass eine Expertenregierung hierzulande wohl eine härtere Lockdown-Politik exerziert hätte als die gegenwärtige Bundesregierung. Die immer abgewogen hat zwischen öffentlicher Meinung, Wirtschaft und dem Gesundheitsrisiko. Ein Technokrat hätte sich strikt an die Vorgaben medizinischer Experten gehalten und diese durchgezogen. Was das bedeutet sieht man in Schweden. Hier hat die Regierung die Bekämpfung der Pandemie an einen technokratischen Experten übertragen: Anders Tegnell. Der bei der Schweinegrippe (2009) mit einer verfrühten und sinnlosen Massenimpfung Fehler machte (was gesundheitliche Folgen für einige Schweden hatte) und diesmal bei Corona ganz im Gegenteil dazu das Virus lange unkontrolliert laufen ließ. Was wiederum viel mehr Tote in Schweden als in den vergleichbaren skandinavischen Nachbarländern zur Folge hatte. Neben einem Wirtschaftseinbruch der nicht viel geringer war. Ein Experte alleine macht also nicht per se das „Richtige“ oder produziert immer den „optimalen Output“. Er ist ein Mensch wie ein Politiker auch.

In einer Pandemie wünscht man sich also wohl jemanden in Verantwortung, dem das gesundheitliche Wohl der Menschen ein Anliegen ist. Der zumindest seine Wiederwahl in Frage stellen muss, weil er einen politischen Preis bezahlt, wenn zuviele Bürger sterben. Einem Technokraten wie Tegnell war das in Schweden offensichtlich eher gleichgültig.

Der Einfluss einer Expertenregierung in der EU

Ein Punkt der ebenfalls oft unterschätzt wird ist die Schwäche einer Expertenregierung in der politisch für Österreich sehr wichtigen Europäischen Union. Wo sie aufgrund ihres mangelnden politischen Kapitals keinen großartigen Einfluss ausüben könnte. Italien ist das beste Beispiel: Das Land ist aufgrund politischer Instabilität und wechselnden Regierungen seit Jahren auf der europäischen Bühne abgemeldet. Auch in der Bierlein-Ära konnten sich die Expertenminister und Parteien nicht einmal auf einen neuen EU-Kommissar einigen und bestellten deshalb den alten einfach erneut. Fortschreibung des Status-quo also, statt frischem Wind. Während die Regierung Kurz mit Politallianzen wie den „Sparsamen 4“ oder der Allianz der Impfkritiker in Brüssel Einfluss ausüben kann, würde einen Expertenminister ohne politischen Hintergrund aus einem kleinen Land wie Österreich niemand ernst nehmen.

Große politische Parteien wie die Europäische Volkspartei oder die Sozialdemokraten bieten hier nämlich ein Forum des informellen Meinungsaustausches und der Meinungsdurchsetzung für ihre Mitglieder. Ein politischer Rahmen wo Absprachen und Allianzen geformt werden. Ein neutraler Experte würde von dieser Art der Meinungsbildung wohl ausgeschlossen sein. Schon alleine weil niemand vorhersagen kann wie lange ein Experte ohne politische Legitimation ein Amt ausführen kann. In Brüssel ist es für einen Politiker am besten, möglichst lange in Amt und Würden zu sein, woraus eine gute Vernetzung resultiert, garniert mit einer Mitgliedschaft in einer der zwei großen Parteien.

Umgelegt auf österreichische Verhältnisse könnten wir etwa folgende Analogie ziehen: Ein Technokrat an der Spitze des Burgenlandes könnte bundesweit quasi keinen Einfluss ausüben, weil das Bundesland so klein und wirtschaftlich schwach aufgestellt ist. Es gäbe für einen Expertenkanzler keinen objektiven Grund das Burgenland speziell zu berücksichtigen. Der aktuelle Landeshauptmann Doskozil jedoch, ausgestattet mit einer absoluten Mehrheit (also mit viel politischem Kapital), sowie seiner Rolle als lauter Anführer des rechten SPÖ-Flügels kann dagegen ungleich mehr Einfluss entfalten. In Brüssel wäre es mit Österreich ganz genauso.

Fazit

Das Beispiel Bierlein zeigt vor allem eines: Eine Expertenregierung kann bestensfalls halbwegs verwalten, zum Positiven verändern kann sie aber leider nur wenig! Ohne eine stabile Mehrheit im Parlament, die auch bereit ist Verantwortung zu übernehmen, wird es schwer. Die Realität zeigt, dass man ohne das so genannte „politisches Kapital“ im Parlament schlicht nicht effektiv regieren kann, auch weil man von der öffentlichen Stimmung noch viel abhängiger ist als eine normale Koalition. Und für jedes Gesetz eine Mehrheit suchen müsste. Da es für alle Themen laute Befürworter und Gegner gibt, flüchtet sich eine Expertenregierung – wie das Kabinett Bierlein – am Ende in das reine Verwalten ohne Gestalten. Von dem vor allem die Eliten profitieren, was jedem Kleinbürger eine Lehre sein sollte. Politik heißt in Österreich traditionell nämlich immer auch Umverteilung.

Aber werden wir hypothetisch: In Österreich hält sich eine handlungsfähige Expertenregierung für einen gewissen Zeitraum von 1-2 Jahren! Nicht politisch legitimierte Experten würden dann – und das zeigen viele Beispiele von Technokraten weltweit – wenn (!) sie denn regieren könnten – auch eine kompromisslosere Politik als die „normalen“ Politiker machen. Schlicht weil sie keine politischen Rücksichten nehmen müssten. In der Vorstellung würde das wohl vielen Österreichern gefallen, wenn „endlich jemand durchgreift“. Was das in Österreich aber real bedeuten würde: Lange überfällige Pensions- und Sozialkürzungen sowie Sparprogramme. Für Steuererhöhungen bräuchte eine Expertenregierung nämlich noch viel mehr politisches Kapital.

Das ganze wäre außerdem nicht per se besser als die gegenwärtige Politik, weil ja in den Ministerien die gleichen (!) Beamten hinter den Maßnahmen stehen würden. Eine kleine abgehobene Wiener Beamtenelite von ein paar dutzend nicht gewählten, unkündbaren Sektionschefs würde dann in Österreich „sagen was geht“. Ein Land welches diese Regierungsform übrigens regelmäßig probiert ist Italien. Dessen Expertenregierungen halten dabei ebensowenig lang wie die meisten regulären Regierungen. Italiens Zustand wird dabei ebenfalls über die Zeit wirtschaftlich gesehen nicht besser.

Links & Quellen

Österreichisches Jahrbuch für Politik 2019

Wahl 2019: Strategien, Schnitzel, Skandale

Andreas Koller: Brigitte Bierlein statt Sebastian Kurz. In: „Salzburger Nachrichten“ vom 12.04.2021: S. 4

https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5631046/Expertenregierung-uebernimmt_Kanzler-Kurz-geht-aufs-Ganze-und

https://www.diepresse.com/5688923/der-diskrete-charme-des-neuen-stillstands

http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/volkszaehlungen_registerzaehlungen_abgestimmte_erwerbsstatistik/bevoelkerung_nach_dem_bildungsstand/index.html

https://www.derstandard.at/story/2000112360787/das-kabinett-bierlein-gekommen-um-nicht-zu-bleiben

https://www.diepresse.com/5646471/ein-loblied-auf-die-expertenregierung

https://www.diepresse.com/5717793/was-hat-die-ubergangsregierung-richtig-gemacht-was-falsch