Aufrüstung gegen die wirtschaftliche Stagnation: Macht das Sinn?

Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, sowie durch Donald Trumps Drohungen und durch die Realpolitik der USA, die sich zunehmend nach Ostasien orientiert, ist Europa gezwungen wieder mehr Geld in sein Militär zu investieren. Eine Aufrüstung ist in der Geschichte nichts Ungewöhnliches, wechseln sich doch ständig friedlichere und kriegerische Perioden ab. Vermeidet man jetzt aber eine Aufrüstung, dann würde Europa dem wirtschaftlich schwachen Russland wohl eine stärkere politische Rolle in Europa einräumen, als ihm zustünde und das würde definitiv die Instabilität auf unserem Kontinent fördern. Das kann de fakto aber in niemandes Interesse sein!

Die finanzielle „Friedensdividende“ nach dem Kalten Krieg endet also und es muss nun wieder mehr Geld für Verteidigung und Sicherheit aufgebracht werden. Viele Menschen machen sich nun deshalb nicht unberechtigt Sorgen, denn was bedeutet dies für die öffentlichen Haushalte und wo muss in der Folge eingespart werden? Oft wird dabei aber nicht bedacht, dass Ausgaben immer auch wirtschaftliche Folgewirkungen haben. In der Volkswirtschaftslehre spricht man hier von einem Multiplikator: Gibt man 1 € für Rüstung aus und erhöht somit die Staatsausgaben, dann gibt es in der Wirtschaft einen demenstsprechenden wachstumsfördernden Impuls. Die privaten Rüstungsunternehmen bezahlen ja Gehälter und beauftragen ihrerseits Subfirmen und kaufen Güter zur Fertigung ein. Auch die Rüstungsfirmen beleben auf diese Weise die Wirtschaft und erzeugen damit wieder mehr Steuereinnahmen und letzten Endes auch mehr Wohlstand.

In jüngster Zeit ist das Thema Aufrüstung wieder aufgekommen, denn viele Länder haben als Reaktion auf die geopolitischen Spannungen ihre Verteidigungsausgaben erhöht. In einer wirtschaftlichen Stagnationsphase kann Aufrüstung nämlich durchaus auch zur wirtschaftlichen Erholung nach globalen Krisen beitragen. Deshalb wollen wir uns das Thema Aufrüstung und seine Folgen in diesem Artikel genauer ansehen.

Reaper Drohne der Royal Airforce 2009 in Afghanistan während der Operation Herrick. Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/81/Reaper_UAV_Takes_to_the_Skies_of_Southern_Afghanistan_MOD_45151418.jpg

Militärkeynesianismus: Wie Putin und Co. Wirtschaftswachstum mit Rüstung erzeugen

Militärkeynesianismus ist ein Begriff, der ein Wirtschaftsmodell beschreibt, das auf der verstärkten staatlichen Ausgabenpolitik im militärischen Sektor basiert und damit das wirtschaftliche Wachstum anzukurbeln oder aufrechtzuerhalten versucht. Dieser Ansatz vereint Elemente der keynesianischen Wirtschaftstheorie mit der Ausgabenpriorisierung im Bereich der Verteidigung. Obwohl der Begriff seinen Ursprung in den Diskussionen der Nachkriegszeit des 2 Weltkriegs findet, hat er in jüngster Zeit erneut an Relevanz gewonnen. Der Begriff „Militärkeynesianismus“ wurde einst geprägt, um zu beschreiben, wie einige Nationen hohe militärische Ausgaben aufrechterhielten und damit ihr wirtschaftliches Wachstum förderten. Dies geschah zum Teil auch in Zeiten relativen Friedens und diente nicht nur reiner Machtprojektion, sondern wohl auch der Unterstützung von Rüstungsindustrie und der Sicherung von Arbeitsplätzen in diesem Sektor.

Durch Rüstungsausgaben in den USA und Europa kam es allerdings auch zu vielen wertvollen Innovationen. Die Raketentechnologie etwa, die uns nun die Erforschung des Weltraums ermöglicht, die Düsentechnologie, die Mikrochip-Industrie und natürlich das Internet. Das „Arpanet“ war ein militärisches Computernetzwerk der 1960er in den USA und stellte einen wichtigen Vorläufer des Internets da. Die Verteidigungsindustrie ist also oft ein Motor für technische Forschung und Entwicklung in fortgeschrittenen Technologien, wie zum Beispiel der Luft- und Raumfahrt, der Elektronik und den Materialwissenschaften. Investiert man in moderne Rüstungsprodukte, fließt öffentliches Geld in den Aufbau kapitalintensiver technologischer Industrien und damit wird auch die Stahlbranche und die Automobilzulieferindustrie gefördert.

Rüstungsausgaben können auch einen Nachfrageeinbruch kompensieren. Russland demonstriert gerade, wie ein Staat den Einbruch seiner Wirtschaft durch Militärausgaben abfangen kann. Das ist freilich nicht nachhaltig, weil Russland durch die Sanktionen den Zugriff auf wertvolle westliche Technologien verloren hat und seine Wirtschaft daher in anderen Bereichen kannibalisiert wird, aber es hilft dem Land zumindest im Moment. Wir im Westen dagegen können diesen Prozess ohne Sanktionen und mit offenen Märkten besser gestalten. Die Ukraine etwa entwickelt ihre Drohnentechnologie ständig weiter und verbessert ihre Fähigkeiten, was sich auch nach dem Krieg als wirtschaftlich nützlich erweisen wird.

Ukraine: Innovation aus einer militärischen Notwendigkeit

Die Ukraine ist 2022 von einem reicheren und bevölkerungsmäßig stärker aufgestellten Nachbarn überfallen worden. Es war daher von Anfang an klar, dass die Ukrainer auf Innovation und Improvisation setzen müssen, um Russland zu besiegen. In der Drohnenentwicklung und Drohnenkriegsführung haben die Ukrainer bereits sehr viel Erfahrung gesammelt und es wird ständig mehr. Mittlerweile sind alle russischen Raffinerien im europäischen Teil Russlands Ziele für ukrainische Langstreckendrohnen geworden und deren Weiterentwicklung schreitet stetig voran. Die Ukrainer führen überhaupt einen digitalen Krieg, sie verfügen gar nicht über ausreichend Munition, um a la Russland blindlings zu agieren. Da zeichnen Aufklärungsdrohnen die Gegend auf, Mannschaften geben Ziele in eine App ein und Artilleriestellungen nehmen dann einen gezielten Beschuss auf.

Die Ukrainer haben sogar Schiffsdrohnen auf dem Wasser im Schwarzen Meer eingesetzt und damit die russische Schwarzmeerflotte aus dem gesamten westlichen Teil vertrieben. Hier kündigt sich eine neue technologische Revolution an, die eine Herausforderung für alle Flotten dieser Welt mit sich bringen wird. KI-gesteuerte Schiffe werden in der Folge wohl auch einmal die zivile Schiffahrt erobern.

Europäische Unternehmen wie Rheinmetall setzen längst auf das Know-How der Ukrainer, sowie auf deren billige Arbeitskosten. So sollen in nächster Zeit Rüstungsfabriken in der Ukraine errichtet werden – geschützt von eigener Luftabwehr – um von hier die Weltmärkte mit Rüstungstechnologie zu beliefern. Auch Deutschland und Österreich profitierten nach dem zweiten Weltkrieg einst von Investitionen in die Rüstungsindustrie. So konnten etwa Ingenieure vorhandene Anlagen nach 1945 auf zivilen Betrieb umstellen und damit neue Wachstumsimpulse erzeugen.

US-Präsident Trump präsentiert die Auswirkungen der milliardenschweren Rüstungsdeals mit Saudi Arabien für die US-Wirtschaft

Trumps Instinkte für Profit

Im Jahr 2019 war der saudische Kronzprinz Mohammed bin Salman in den USA, um große Rüstungsdeals abzuschließen. Das machen die Saudis bereits regelmäßig seit 1945 im Gegenzug für die militärische Unterstützung der USA. US-Militärausgaben am Golf werden so gegenverrechnet mit Aufträgen an die US-Rüstungsindustrie, die Jobs in den USA schafft und dort dann Steuern bezahlt. Im obigen Bild hält Trump Fotos von Rüstungsgütern mit Preisangaben in die Kamera, um die 12,5 Milliarden Euro für seine Wähler deutlich zu machen.

Ein ähnliches Modell würde Europa erwarten können, würde Trump im Herbst 2024 wieder zum Präsidenten gewählt. Die Europäer würde er dann nicht nur an das 2% Ziel der NATO für die Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (und damit die Aufrüstung generell) erinnern, sondern er würde auch Rüstungseinkäufe direkt in den USA einfordern und so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Amerikanischer Schutz bekäme damit ein Preisschild in Form von amerikanischen Rüstungsgütern in Europas Arsenalen .

Dies wäre allerdings für Europa insofern problematisch, als der Rüstungsmultiplikator dann nämlich vor allem in den USA schlagend werden würde und die dortige Wirtschaft antriebe, während Europas Verteidigungsindustrie um diese Aufträge umfiele. Bei einigen Gütern – dem Kampfjet F35 zum Beispiel- wäre das vielleicht alternativlos, Panzer, Geschütze und Kriegsschiffe aber könnte Europa durchaus selbst herstellen.

Wachstumsimpulse für Europa

Deutschland und Österreich sind im Moment in einer wirtschaftlichen Stagnationsphase und versuchen gerade mit Energie- und Energietransformationssubventionen sowie mit Bauförderungen Wachstum zu erzeugen. Das ist auch dringend notwendig: Die deutsche Wirtschaft ist seit 2019 nicht mehr gewachsen, die USA dagegen in dieser Zeit kontinuierlich davongezogen. Österreich leidet im deutschen Windschatten an dessen wirtschaftlicher Schwäche.

Laut „Spiegel“ zeigen Studien aus den USA, dass der volkswirtschaftliche Multiplikatoreffekt von Verteidigungsausgaben auf das BIP-Wachstum in etwa bei 1:1 liegt. Anders ausgedrückt: Rüstet Deutschland mit seinem Sondervermögen um 100 Milliarden auf, dann wird das BIP um 100 Milliarden steigen. Schüttet man dagegen – wie Österreich – Helikoptergeld an Firmen oder an alle Österreicherinnen pauschal aus, dann wird ein Teil davon gespart und landet eben nicht direkt in der Wirtschaft. Würde man allerdings bei der Ausgestaltung der Aufträge besonders gut reagieren – etwa mit rein lokalen Produzenten – wäre auch bei der Rüstung ein Multiplikatoreffekt von über 1 möglich. Alleine die Ankündigung von großen Rüstungsinvestionen könnte Mitteleuropas Wirtschaften schon einen Wachstumsimpuls geben.

Die USA praktizieren das seit Jahrzehnten mit „Buy American“ und haben auch Exportverbote für besonders sensible Technologien geschaffen. Im Gegenzug muss man aber Rüstungsunternehmen auch eine regelmäßige Abnahme ihrer Produkte garantieren. Polen setzt gerade massiv auf Aufrüstung und hat im Zuge dessen Deals mit südkoreanischen Produzenten abgeschlossen, die Produkte für Polen in Polen herstellen werden. Dafür werden lokal Fabriken errichtet, was die Reindustrialisierung Europas naturgemäß fördert. Österreich hat einige Rüstungshersteller und produziert von Faustfeuerwaffen bis Spezialfahrzeugen und Radpanzer einiges selbst ! In Kombination mit der vorhandenen metallverarbeitenden Industrie könnte das für unser Land neues wirtschaftliches Potential bedeuten.

Kritik

Es gibt jedoch auch Kritik an diesem Modell. Einige Ökonomen argumentieren zum Beispiel, dass die Ressourcen, die für militärische Zwecke verwendet werden, in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Bildung oder Gesundheitswesen möglicherweise einen größeren gesellschaftlichen Nutzen hätten. Darüber hinaus könnte eine übermäßige Betonung des Militärs zu einer Vernachlässigung anderer wichtiger Bereiche führen und langfristig die nationale Sicherheit beeinträchtigen. Die Debatte über die Vor- und Nachteile dieser Politik wird aber wahrscheinlich weiterhin geführt werden, da Regierungen immer versuchen, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Stabilität und nationaler Sicherheit zu finden.

Fazit

Deutschland und Österreich sind in der wirtschaftlichen Stagnation. Eine wirtschaftlich sinnvolle Aufrüstung könnte hier für Wirtschaftswachstum sorgen und den Technologiesektor im Land beleben und damit die Grundlage für Innovationen etwa in der Robotik legen. Die Aufrüstung zur Friedenssicherung in Europa muss deshalb nicht zwingend von wirtschaftlichem Nachteil sein. Drohnentechnologie wird in allen Bereichen der Wirtschaft gebraucht, ebenso Robotik und Cyberfähigkeiten. Neue Kriegsschiffe wiederum sind dann keine Verschwendung, wenn sie etwa gegen islamistische Piraten vor Somalia oder dem Jemen eingesetzt werden, um die Schifffahrt zu sichern und so Europas Versorgung mit asiatischen Waren und Erdöl sicherzustellen. Obendrein ist es stets sinnvoller, sich nicht von anderen abhängig und erpressbar zu machen.

An einer gewissen Aufrüstung führt also wohl kein Weg vorbei. Zu verdanken ist diese einerseits den machtpolitischen Gelüsten von Autokraten wie Putin und Islamisten wie der Hamas, den Huthis oder dem IS, sowie aber auch der vergangenen Schwäche des Westens. Dieser hat besonders in der Ära Obama-Merkel besonders viel Nachsicht gegenüber Diktatoren ausgestrahlt, was einen Teil der heutigen Instabilität erklären mag. Siehe dazu unser Beitrag: https://www.dermaerz.at/obama-und-merkel-das-scheitern-der-multilateralisten/

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Links & Quellen

Moritz Schularick (28.03.2024): Aufrüsten für den Wohlstand. In: „Der Spiegel“ vom 28.03.2024: S. 60f.

https://www.profil.at/oesterreich/glock-steyr-und-co-wie-oesterreichische-firmen-die-welt-mit-waffen-versorgen/402472088

https://www.c-span.org/video/?442874-1/president-trump-meeting-saudi-crown-prince

https://www.merkur.de/wirtschaft/rheinmetall-ukraine-produktion-panzer-start-2024-fuchs-lynx-panther-zr-92707736.html

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rheinmetall-will-artilleriemunition-kuenftig-in-der-ukraine-herstellen-a-b0178d6b-5380-4188-aea3-305116de842a