Russland: Wie hoch sind die Verluste im Ukrainekrieg?

Ukrainekrieg, Symbolbild

Russland hat laut mehreren Quellen im Ukrainekrieg im Mai/Juni 2025 die Marke von mehr als einer Million Mann an Verlusten überschritten, wobei man unter dem Terminus „Verluste“ hier Gefallene wie Verwundete und Vermisste versteht. Der Ukrainekrieg dauert nun seit dem 22. Februar 2022 also seit über drei Jahren an, aber rund die Hälfte all dieser russischen Verluste ist dennoch in den letzten 12 Monaten enstanden. Das ist eine interessante Parallele zum zweiten Weltkrieg, wo alleine im letzten Kriegsjahr 1944/45 Deutschland mehr Verluste erzielt hat als in der ganzen Zeit davor. Russland rückt dabei zwar seit Monaten stetig vor, aber in nur geringem Ausmaß.

In diesem Artikel wollen wir uns nun ansehen, welchen Preis Russland hier für wieviel erobertes Land bezahlt und ob diese Rechnung für Präsident Putin aufgehen könnte. An Territorium fielen 2024 rund 4000 km² an die Ukraine und im Jahr 2025 waren es bis dato rund 1000-2000 km². Vom Ausmaß sprechen wir hier also von weniger als dem gemeinsamen Gebiet des Burgenlands und Vorarlbergs. Eines ist jedenfalls klar: Seit dem Mai 1945 hat kein europäischer Politiker soviele europäische Leben am Schlachtfeld eingesetzt und verloren wie Wladimir Putin. Auf Russlands Friedhöfen war das schon Anfang 2024 bei „nur“ über 300.000 Verlusten dramatisch sichtbar:

Seit dem Angriff der Truppen Wladimir Putins und dem jetzt zwei Jahre währenden Ukraine-Krieg platzen die Friedhöfe überall aus allen Nähten, um die vielen neuen Toten beherbergen zu können. Sie dehnen sich in der Ukraine genauso aus wie in Russland selbst, wie jetzt der Business Insider berichtet. Das Magazin beruft sich dabei auf den Satellitendienst Maxar – deren Satellitenbildern zufolge sind die Areale vorhandener Friedhöfe auf russisch kontrolliertem Gebiet in der Ukraine oder auf dem Territorium Russlands enorm ausgedehnt worden; teilweise um das Doppelte.

https://www.merkur.de/politik/krim-nato-verluste-gegenoffensive-ukraine-krieg-wladimir-putin-russland-92853551.html

Wir werden nun die Verluste Russlands zu Beginn benennen und dann den Geländegewinn in den letzten zwölf Monaten dokumentieren, um herauszuarbeiten, welchen Preis die russische Führung hier willens war dafür zu bezahlen.

Verluste Russlands im Ukrainekrieg
Russische Verluste im Ukrainekrieg; Quelle: https://index.minfin.com.ua/en/russian-invading/casualties/

Die russische Kriegsführung des letzten Jahres

Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat Russland wie auch die Ukraine kontinuierlich mehr Soldaten verloren. Dennoch hat sich die Dynamik des Konflikts alleine in den letzten zwölf Monaten (Juni 2024 bis Juni 2025) deutlich verändert. Während Russland weiterhin versucht, territorialen Boden zu gewinnen, sind die Fortschritte minimal und stehen in keinem Verhältnis zu den wirklich enormen menschlichen und materiellen Verlusten. Die russische Taktik der sogenannten „Fleisch-Angriffe“ hat dabei eine zentrale Rolle gespielt und verdeutlicht die Brutalität und Ineffizienz der russischen Kriegsführung. Moskaus Strategie zielte dabei nicht länger auf großflächige Durchbrüche, sondern auf das langsame Vordringen durch kontinuierliche Angriffe entlang der Frontlinie – insbesondere im Donbass, bei Awdijiwka, Tschassiw Jar und nördlich von Kupjansk. Diese Vorstöße brachten  marginale Geländegewinne, der Preis dafür allerdings war gewaltig: Zehntausende russische Soldaten fielen, teils innerhalb weniger Wochen.

Die Bezeichnung „Fleisch-Angriffe“ (russisch auch als „мясные штурмы“ bekannt) beschreibt eine Form der Kriegsführung im Ukrainekrieg, bei der menschliche Wellenangriffe systematisch und ohne viel Vorbereitung gegen gut verteidigte ukrainische Stellungen geführt werden. Anstatt auf Präzision, Überraschung, Technik oder kombinierte Operationen zu setzen, lässt die russische Armeeführung teils schlecht ausgebildete Reservisten, Strafgefangene aus dem „Storm-Z“-Programm oder mobilisierte Rekruten in ständiger Rotation auf die ukrainische Frontlinie losmarschieren – mit der Absicht, die ukrainischen Verteidiger durch Masse zu überfordern und ihre Munition sowie Nerven zu erschöpfen. Dabei werden Angreifergruppen häufig in mehreren Wellen geschickt. Ist die erste Welle auf Minenfeldern oder durch Maschinengewehrfeuer dezimiert worden, folgt bereits die nächste. Die Überlebenschancen für die Angreifer sind dabei oft gering. Ukrainische Drohnenaufnahmen zeigten wiederholt Felder voller Leichen, während der nächste Angriff bereits lief. Das sind Taktiken, die man aus dem Ersten Weltkrieg so kennt!

In der folgenden Karte sehen wir nun oben die Front am 21.06.2024 und im unteren Bild die Frontlinie, wie sie sich heute – also ein Jahr und rund 500.000 Verluste – später darstellt. Die eher marginalen russischen Geländegewinne haben wir in der unteren Grafik extra schwarz markiert, da sie ansonsten in der Karte leicht übersehen werden könnten!

Karten zum Ukrainekrieg
Frontlinie im Ukrainekrieg am 21.06.2024 (oben) bzw. 21.06.2025 (unten) laut DeepStateMAP. Russische Landgewinne sind hier schwarz markiert; Quelle: https://deepstatemap.live/en#7/48.7598101/36.0076904

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Awdijiwka, Tschassiw Jar und der Preis des Vormarschs im Ukrainekrieg

Der Fall von Awdijiwka im Februar 2025 war einer der symbolträchtigsten Momente der jüngsten russischen Offensiven. Wochenlang hatte die Ukraine die Stadt unter schwerstem Artillerie- und Infanteriedruck verteidigt. Russland setzte alles daran, diesen symbolischen Ort zu erobern – und bezahlte ihn mit tausenden Toten. Ukrainische und westliche Schätzungen sprechen von bis zu 15.000 russischen Verlusten allein in dieser Operation. Auch bei Tschassiw Jar, einem strategisch gelegenen Höhenzug westlich von Bachmut, setzten die Russen ihre Angriffswellen unnachgiebig fort. Für nur wenige Quadratkilometer Terrain wurden wochenlang ganze Regimenter geopfert. Die Territoriumsgewinne waren und sind auch hier minimal – doch Russland scheint auf Abnutzung zu setzen, weniger auf Geschwindigkeit.

In den letzten zwölf Monaten konzentrierte sich die russische Offensive vor allem auf die Regionen Donezk, Charkiw, Sumy und Kursk. Laut Berichten des britischen Verteidigungsministeriums und des Institute for the Study of War (ISW) eroberten russische Truppen im November 2024 etwa 739 Quadratkilometer, doch die Geschwindigkeit der Vorstöße nahm danach deutlich ab. Im Februar 2025 waren es nur noch 195 Quadratkilometer. Russische Fortschritte wurden in Gebieten wie Torezk, Pokrowsk, Siwersk und Kupjansk verzeichnet, doch blieben sie oft auf marginale Geländegewinne beschränkt. In der Region Sumy etablierte Russland eine „Pufferzone“, die etwa 10 bis 12 Kilometer tief ins ukrainische Gebiet reicht mit der Möglichkeit, die Regionalhauptstadt Sumy anzugreifen.

Nach langen blutigen Kämpfen gelang es Russland zudem, das eigene Staatsgebiet im Oblast Kursk zurückzuerobern, aber auch hier war der Preis an Verlusten wohl enorm. Die beiden Kriegsparteien sprechen von 50.000-70.000 Verlusten gegenseitig. Putins Deadlines zur Rückeroberung des eigenen Staatsgebietes wurden aufgrund hartnäckiger ukrainischer Verteidigung mehrmals verfehlt. Ukrainische Elitetruppen konnten sich in Russland eingraben und auch hier russische und nordkoreanische Truppen lange an ihren Stellungen blutig festrennen lassen.

Eine Strategie der Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben?

Die russische Kriegsführung der letzten zwölf Monate wirft also viele moralische und militärische Fragen auf. Der systematische Einsatz von Menschen als „Verbrauchsmaterial“ erinnert an längst vergangene Kriegszeiten. Statt auf technologische Überlegenheit oder strategische Raffinesse zu setzen, verlagert der Kreml die Kriegslogik auf einen brutalen Wettkampf der Erschöpfung. Die ukrainische Seite, obwohl zahlenmäßig unterlegen, verteidigte ihre Positionen oft mit bemerkenswerter Effizienz – was die russischen Verluste noch weiter in die Höhe trieb. Russlands Führung scheint dabei bereit, jeden Preis zu zahlen. Mit massiver Propaganda, Repression, viel Geld und patriotischen Mobilisierungskampagnen gelingt es dem Kreml, Nachschub an Menschen für die Front zu sichern – koste es, was es wolle. Gleichzeitig hat sich die russische Wirtschaft mit zunehmender Militarisierung und vollständiger Umstellung auf Kriegsproduktion auf einen langen Krieg eingestellt.

Russlands Vorstöße in der Ukraine im vergangenen Jahr sind also geprägt von einem zermürbenden Krieg der Abnutzung. Für wenige Kilometer Frontlinie hat die russische Armee mit unzähligen Menschenleben bezahlt. Die Strategie der „Fleisch-Angriffe“ zeigt eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben der eigenen Soldaten – und wirft ein düsteres Licht auf die Kriegsführung des Kremls. Der Krieg in der Ukraine wird damit mehr denn je zu einem Alptraum des 21. Jahrhunderts, in dem die Grenzen des menschlichen Leidens und der strategischen Rationalität immer weiter ausgedehnt werden.

Laut Analysen des Thinktanks „Institute for the Study of War“ (ISW) verlor Russland allein im Herbst 2024 in seinen Offensiven 125.800 Soldaten. Das ist ein Preis von 50 Soldaten für jeden Quadratkilometer eroberten Territoriums der Ukraine.

https://www.bbc.com/news/articles/c0ewneynypwo

Trotz dieser Vorstöße kontrolliert Russland nach über drei Jahren Ukrainekrieg nach wie vor nur etwa 20 % des ukrainischen Staatsgebiets, ein Anteil, der sich seit 2022 nur geringfügig verändert hat. Von der Erreichung seiner ursprünglichen Kriegsziele, wie der Einnahme Kiews oder der vollständigen Kontrolle über den Donbass, ist Russland weit entfernt. Stattdessen hat sich der Krieg in einen zermürbenden Stellungskrieg verwandelt, bei dem beide Seiten hohe Verluste hinnehmen müssen.

Fazit

Die russische Armee und damit das Regime Putins geht mit Menschenleben im Ukrainekrieg offensichtlich verbrecherisch verschwenderisch um, was unzählige Berichte aus Russland zeigen. Die russische Armee opfert in ihren so genannten „Fleisch“-Angriffen hunderttausende Soldaten bedenkenlos. Diese rennen gezwungenermaßen auf offenem Feld gegen ukrainische Drohnen und ukrainische Stellungen an, was  jeden Tag zu enormen Verlusten für die russische Armee führt. Aufgrund mangelhafter medizinischer Versorgung sterben dabei zudem viel mehr Russen als notwendig oder verlieren unnötigerweise viel zu viele Gliedmaßen. Das alleine in den letzten zwölf Monaten eroberte Gebiet ist im Vergleich zu den enormen Verlusten von 500.000 Mann dazu noch einmal grotesk gering!

Keine moderne Demokratie würde einen so blutigen Angriffskrieg mit derartig desaströs schlechten Ergebnissen weiterführen und das Ganze politisch überleben. Jeder westliche Demokrat hätte diesen Konflikt stattdessen wohl längst beendet oder zumindest eingefroren, anstatt Woche für Woche weiter tausende junge Menschen zu opfern, die Russland aufgrund der desaströsen demographischen Entwicklung niemals verlieren dürfte.

Niemand in Europa sollte im Zuge dessen auf die russische Propaganda hereinfallen und in diesem Krieg Putins auch nur irgendetwas Positives sehen. Die Ukraine hat völkerrechtlich ein Recht sich zu verteidigen und tut das aus völlig legitimen Gründen. Der Angreifer Russland jedoch handelt völlig irrational und geradezu verrückt! Der Ukrainekrieg ist das blutigste und unnötigste Gemetzel seit 1945 und Wladimir Putin ist definitiv ein Kriegsverbrecher, der die meisten europäischen Menschenleben seit 1945 völlig sinnlos verschwendet hat. Wer – von russischer Propaganda geblendet – immer noch in der Ukraine irgendwie einen „Bösewicht“ erkennen will, der steht jedenfalls auf der falschen Seite der Geschichte. Man sieht nämlich im Kriegsverlauf, dass Putin offensichtlich weder ein guter Feldherr noch ein guter Manager oder Politiker ist! Den Krieg zum Vorteil Russlands auf ukrainischem Boden einzufrieren, hätte man nämlich schon Ende 2022 machen können und müssen (!), wo die russischen Verluste bei „nur“ 100.000 Mann lagen.

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Links & Quellen

https://deepstatemap.live/en#7/48.7598101/36.0076904

https://index.minfin.com.ua/en/russian-invading/casualties

https://www.bbc.com/news/articles/c0ewneynypwo