
Herbert Kickl hat bei der Nationalratswahl den größten Sieg für die FPÖ erzielt und es dabei der extremen politischen Linken um Andi Babler sehr leicht gemacht, in die Regierung zu kommen. Während er mit „Verhaftungslisten“ durch Österreich zog und die ÖVP als politischen Partner vergrätzte, statt sie zu umwerben, sammelte Nehammer (vergeblich) eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS um sich. Als Babler es dann politisch mit seiner Unerfahrenheit, Naivität und Sturheit wider Erwarten vergeigte, verzichtete Herbert Kickl darauf, den politischen Elfmeter zum Bundeskanzler aka Volkskanzler zu verwandeln. Dem Vernehmen nach fehlte ihm laut FPÖ-internen Quellen am Ende die Courage, Österreich als Kanzler durch die Krise zu führen. Er mag zwar gerne der ÖVP das – zu recht lächerliche, wie politisch nicht verdiente – Beharren auf dem Innenministerium nicht zu unrecht vorhalten, aber nur rund sieben Stunden an persönlichen Verhandlungen seinerseits sprechen eine klare Sprache.
Kickl selbst inszenierte sich zwar stets als „Volkskanzler“, der dem Establishment die Stirn bieten würde, doch als es ernst wurde, entpuppte sich sein Auftritt eher als Flucht nach vorne – laut im Ton, aber schwach in der Substanz. Statt den Ballhausplatz als Ziel klar vor Augen zu haben, wirkte er im entscheidenden Moment orientierungslos und misstrauisch. Dieses Zaudern schwächte nicht nur seine Verhandlungsposition gegenüber der ÖVP, sondern unterminierte auch das Vertrauen vieler seiner Wähler, die sich von ihm ein staatsmännisches Auftreten erwartet hätten. Am Ende bleibt ein Bild zurück: ein Wahlkämpfer, der Siege erringen kann, aber deren Früchte nicht zu nutzen weiß.

Der strategielose Wahlkämpfer
„Ich habe schon eine so eine lange Fahndungsliste …“, droht Kickl (nämlich den „Verantwortungsflüchtigen“ aus der Corona-Zeit) „Nehammer, Rauch, Edtstadler, Kogler, Schallenberg …“
Im Wahlkampf für die Nationalratswahl hat Kickl für die FPÖ taktisch einen politisch wirklich verdienten Sieg eingefahren. Die türkis-grüne Regierung hatte das Land in die Schuldenkrise geführt und die SPÖ sich mit ihrem unerfahrenen Marxisten Babler quasi selbst aus dem Spiel genommen. Anstatt aber ÖVP-Chef Nehammer politisch mit seinem Anti-FPÖ-Kurs auszubremsen und geschickt Avancen gegenüber blauaffinen Teilen der ÖVP zu machen, verbot Kickl den FPÖ-Abgeordneten im Parlament jeden persönlichen Austausch mit der ÖVP. Manche ÖVP-Abgeordnete hatten nämlich, entgegen Nehammers Kurs noch vor der Wahl im Parlament versucht, persönliche Beziehungen aufzubauen. Das entspricht genau der Rolle der ÖVP, die als Partei rechts der Mitte in alle Richtungen verhandlungsfähig sein sollte.
Diese strategische Steuerung der FPÖ auf einen reinen Anti-System-Kurs mag kurzfristig in Wahlkampfzeiten mobilisieren, doch sie beraubt die FPÖ der Fähigkeit, nach der Wahl das entscheidende Scharnier für Machtübernahmen zu werden. Um den mehrheitlich gewünschten Kurs der FPÖ umzusetzen, braucht die Partei nämlich politische Partner. Sich zu wünschen, dass „Nehammer nach der Wahl ohnehin abserviert werden würde“, wie Kickl es tat, war keine politische Strategie, sondern unsympathisches Wunschdenken gegenüber einem potentiellen Partner. Kickl übersah, warum auch immer, dass es in der Zweiten Republik seit 1979 nie mehr den reinen Kanzlergewinn ohne politische Partner gegeben hat. Er unterschätzte zudem, dass die Wähler zwar Protest wählen, in der Regierungsbildung aber Stabilität einfordern. Der „strategielose Wahlkämpfer“ trug so den Keim der späteren politischen Niederlage in den Verhandlungen bereits in den Wahlsieg hinein. Am Wahlabend stand die FPÖ dementsprechend politisch nackt da, denn alle anderen Parteien begannen sofort mit den Verhandlungen.
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Der vergebene Elfmeter: Kickls Angst vor dem Abschluss
Herbert Kickl war aber nicht bereit, Kompromisse und eine Partnerschaft auf Augenhöhe einzugehen. Er hat seinen Regierungsbildungsauftrag nicht erfüllt und damit die Chance für eine Mitte-Rechts-Regierung vergeben. Stattdessen hat er auf all seinen Forderungen beharrt, Allmachtsfantasien entwickelt und die Gespräche beendet.
Alexander Pröll (ÖVP) nach dem Verhandlungsabbruch; Quelle: https://www.profil.at/oesterreich/jetzt-fix-verhandlungen-zwischen-fpoe-und-oevp-gescheitert/403008991
Mittlerweile ist aus FPÖ-Kreisen und durch Recherchen von Trend-Reporter Josef Votzi eines bekannt: Herbert Kickl hatte nach dem Kollaps der Türkis-Rot-Pinken Verhandlungen selbst Respekt davor, Verantwortung in dieser Krisensituation zu übernehmen. Österreich war von ÖVP und Grünen massiv heruntergewirtschaftet worden und massive Sanierungen standen an. Schwierige Zeiten, in denen eine Regierung auf den ersten Blick (!) nur wenig gewinnen kann. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn Österreich hat normalerweise eine große Liebe für seine Finanzminister, für die „armen Sparmeister“, die harte Entscheidungen treffen müssen. Die FPÖ hätte mit Arnold Schiefer übrigens einen höchst qualifizierten Mann für diese Aufgabe gehabt, welcher der Republik in dieser Situation sehr gut getan hätte. Anders als die Fehlbesetzung Marterbauer hätte Schiefer Österreich wohl längst auf einen harten Sanierungskurs gebracht und übernotwendige Einsparungen vorgenommen.
Anstatt aber politisch seine Jahrhundert-Chance zu ergreifen, Österreichs Kanzler zu werden, blockierte Herbert Kickl nach wenigen Wochen die Gespräche mit der ÖVP durch Maximalforderungen und massive persönliche Zurückhaltung. Während seine Parteifreunde längst bereit gewesen wären, in Koalitionsverhandlungen ernst zu machen, schien Kickl mehr bedacht darauf, den Nimbus des „unverrückbaren Oppositionsführers“ zu wahren, als den Schritt zum Staatsmann zu vollziehen. Er soll dabei selbst nur 7 Stunden verhandelt haben und war nie bereit, der politisch totregierten ÖVP ihren wichtigsten Wunsch, nämlich das Innenministerium, zu erfüllen. Das mag aus FPÖ-Sicht legitim sein, doch ist die ÖVP mittlerweile in einem derart bemitleidenswerten Zustand, dass außer Sicherheitsrhetorik von der bürgerlichen Partei nicht mehr viel Verkaufenswertes übrig ist. Finanzpolitik und Wirtschaftspolitik liegen ja in Scherben. Dasselbe gilt auch für die Migrationspolitik, aber hier kann man immerhin mit harten Worten und vermeintlich harten Maßnahmen punkten.
So verwandelte Kickl den politischen Elfmeter nicht nur nicht, er trat dazu erst gar nicht an und das obwohl Babler und Meinl-Reisinger ihm den Weg dazu freigemacht hatten. Was an Erkenntnis bleibt, ist der Eindruck, dass Kickl in Wahrheit lieber der rhetorische Daueroppositionelle bleiben möchte, als der Regierungschef, der in stürmischen Zeiten Verantwortung übernehmen muss. Das ist ein fatales Signal an die eigene Wählerschaft, die sich nicht nur klare Worte, sondern auch klare Taten erwartet hätte.

Die Flucht in den Süden: Die Kärntenwahl 2028
FPÖ-Chef Herbert Kickl will nicht nach Kärnten gehen. FPÖ-Chef hat „Riesenfreude mit den Kärntnern“, aber die Volkskanzlerschaft geht vor.
https://www.sn.at/politik/innenpolitik/fpoe-chef-herbert-kickl-kaernten-183899599
Wie kurzsichtig Herbert Kickls politisches Kalkül war, sieht man etwa daran, dass die nächsten Wahlen erst im Jahr 2028 sind. Die Opposition ist also auf 3 Jahre dazu verdammt, völlig machtlos und ohne jede Chance auf Verantwortung vor sich hin zu polemisieren, während ÖVP, SPÖ und NEOS sich Macht, Posten und Verantwortung aufteilen. Nach dem verpassten Kanzleramt könnte sich Kickls Blick deshalb nun offenbar gen Kärnten richten – auch wenn er das klar dementiert. Dort in seinem Heimatbundesland, wo er auch seine politischen Wurzeln hat, gäbe es für ihn die einzig mögliche Bühne für seinen Führungsanspruch bis ins Jahr 2029. Mangels bundespolitischer Wahlen in den kommenden drei Jahren könnte die Landtagswahl 2028 in Kärnten deshalb ein politischer Rettungsanker werden. Fraglich ist nämlich auch, ob seine Wähler ihm nun jahrelang die Treue halten und ihm abnehmen, besser zu regieren, wo er doch genau daran gescheitert ist. Kickl könnte deshalb künftig in Kärnten verstärkt Präsenz zeigen und sich hier als „Landespolitiker mit nationalem Gewicht“ inszenieren.
Ob es ihm gelingen würde, gegen den selbst eher rechten SPÖler Daniel Fellner Kärntner Landeshauptmann zu werden, ist offen, denn auch in Kärnten regiert die politische Realität: Wahlen werden in der Mitte gewonnen, nicht an den Rändern. Die Mitte in Kärnten ist zwar klar rechts, aber auch Daniel Fellner weiß das und rückt, anders als Landeshauptmann Kaiser, genau in diese Richtung. Kickl bekäme damit also ideologisch Konkurrenz und müsste sich gleichzeitig – was ihm bislang eher fremd war – als Landesvater auf dem Terrain des Ausgleichs und der konstruktiven Landespolitik inszenieren. Damit stünde ihm ein ziemlicher Spagat bevor. Sollte er nämlich auch in Kärnten scheitern, wäre sein politischer Zenit wohl endgültig überschritten.
Fazit
Herbert Kickl hat also 2024 gezeigt, dass er taktisch Wahlen gewinnen kann – doch er hat ebenso gezeigt, dass er Macht nicht ausüben will oder kann. Er hatte die Tage nach der Wahl strategisch schon im Jahr davor verloren und anstatt die ÖVP politisch und ideologisch geschickt einzuhegen, kam 2024 von ihm an Angeboten zu spät viel zu wenig. Um Nehammer aus dem Amt zu drängen, hätte er der ÖVP ein Angebot machen müssen, welches diese ideologisch nicht hätte ablehnen können. Kickl rollte mit seinem Verhalten und seinem „Alle anderen gleich Verräter-Kurs“ trotz klarem Mitte-Rechts-Votum der politischen Linken um Marxisten Andi Babler den Teppich zur ÖVP aus. Auch in der Verhandlungsrunde 2, als er plötzlich alternativlos vor dem Ballhausplatz stand, versagte ihm dann die Courage. Die Cliches des ewig Misstrauischen dürften also wohl nicht nur Cliches sein. Der politische Flüchtling aus der Verantwortung mag in der Opposition brillieren, doch in der Regierungsfrage versagt er. Österreich steht dadurch ohne freiheitlichen Kanzler da, obwohl die historische Chance greifbar war.
Österreich hätte 2025 eine bürgerliche Regierung nämlich mehr als alles andere gebraucht. Die Migrationspolitik der ÖVP seit 2020 war desaströs und hätte eine dringende Kontrolle der FPÖ erfordert. Dazu müsste das Land in einer Rosskur saniert werden und parallel dazu müssten Sozialleistungen und überzogene Ausgaben für Pensionen reformiert werden. Auch in der Wirtschaftspolitik bräuchte es neue Ansätze, um den Exodus von Unternehmen ins Ausland zu stoppen. Hier wären die Programme von ÖVP und FPÖ quasi ident gewesen, was eine massive vergebene Chance für Österreich bedeutet.
Die kommenden Jahre werden nun zeigen, ob Kickl aus seinen Fehlern lernt oder ob er sich dauerhaft in regionale Rückzugsgefechte flüchtet. Für die FPÖ und ihre Wähler bleibt jedoch die bittere Erkenntnis: Der große Sieg 2024 war zwar ein Triumph an den Urnen, aber ein Desaster am Verhandlungstisch – und Kickl trägt dafür die Hauptverantwortung. Österreich war bereit für seine Kanzlerschaft und einen politischen Richtungswechsel. Dank Herbert Kickl ist er nun leider nicht gekommen!
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