Forum Alpbach: Vom Netzwerkklassiker zum Forum der Woken

Nun ist es wieder einmal soweit: Das Forum Alpbach 2022 hat begonnen und täglich erreichen uns neue Medienberichte aus dem schönen Alpbachtal. Bundeskanzler Nehammer wird mit ausländischen Staatsgästen teilnehmen, Bundespräsident Van der Bellen wollte dies ebenfalls tun, stürzte dann aber beim Wandern in Tirol und muss Österreichs globalstes Dorf dieses Jahr nun auslassen. WIFO-Chef Felbermayr gibt seine ZIB 2 Interviews direkt aus dem Alpendorf. Kurz gesagt: Das politische Österreich blickt nun wieder nach Tirol. Dieses historische Forum mit Wurzeln in der Nachkriegszeit gliedert sich traditionell in zwei Blöcke: Einerseits verbringen rund 700 Stipendiaten rund 2 Wochen in Alpbach, wo sie ein eigenes spannendes Kursprogramm mit Vorträgen zu allen möglichen Themen absolvieren. Andererseits gibt es das „klassische“ Forum Alpbach, wo sich Gäste und Diskutanten bei diversen Events zu verschiedenen Themen treffen: Politische Gespräche, Wirtschaftsgespräche, Technologiegespräche et cetera.

Dem Autor dieses Artikels ist das Forum von mehrmaligen Besuchen während der Ära Franz Fischlers (2012-2021) bestens bekannt. Dieser Artikel soll nun etwas Einblick in das Forum Alpbach geben, deren Organisatoren mit jedem Jahr etwas woker und diverser werden wollen und dafür bereit sind, die Netzwerkidee immer weiter zu verwässern. 2022 wird von Fischlers Nachfolger Andreas Treichl das Forum noch weiter verstärkt in diese Richtung umgebaut. Der neue Generalsekretär Feri Thierry, ein Ex-NEOS Politiker, feierte heuer im ORF-Frühstücksfernsehen zum Start des Forums allen Ernstes, dass mehr als die Hälfte der Stipendiaten nun keine Österreicher mehr seien. In Woche 2 zumindest, verkündete Thierry strahlend. Man müsse zu den 70 Nationalitäten, die 2022 bereits teilnehmen, unbedingt weitere Leute aus aller Welt einladen.

Großzügig sponsern darf der österreichische Steuerzahler das Forum aber natürlich weiterhin. Beim Teilnehmen wird es für Staatsbürger aber immer schwieriger. Das Forum Alpbach soll zudem ab nun keine Branchentreffen von Österreichs Wirtschaftseliten mehr veranstalten, sondern mehr zum Ursprungszweck zurückkehren. Dieser, so Treichl, sei gewesen,

die Jugend mit den besten Leuten aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen, um über Europa und die Zukunft Europas zu reden.

Andreas Treichl, in „Die Presse“ (23.08.2022): S. 21

Der in Alpbach gültige mediale Grundsatz des „Was in Alpbach Zwischenmenschliches passiert, bleibt auch in Alpbach“ gilt natürlich auch für uns vom März und wir werden daher davon absehen, zu konkrete Personenangaben zu machen, wenngleich die eigenen Alpacherinnerinnerungen durchaus zur Unterhaltung beitrügen. Schließlich soll es in erster Linie um die europäische Kaderschmiede Alpbach und das Forum an sich gehen.

Tirol-Tag am Forum: Die Schützen marschieren auf

Der Reiz des klassischen Forums

In Österreich gibt es wohl keinen anderen kleinen und überschaubaren Ort, wo man während politischer Gesprächen den höchsten Spitzenpolitikern persönlich so nahe kommen kann. Da marschieren Präsident und Kanzler durchs Dorf, im noblen Böglerhof diniert dann der ÖGB- Chef und abends in den Wirtshäusern wie beim Jakober oder beim Bischofer erlebt man angeheiterte Spitzenpolitiker auf engster Tuchfühlung. Für mich war das alles ein einziges Erlebnis in einer tollen Atmosphäre mit intellektuell herausfordernden Vorträgen, Gesprächen und privaten Treffen mit Spitzenmanagern und Spitzenpolitikern.

Da kam es schon vor, dass eine angeheiterte Ministerin mit einem feschen Stipendiaten einen zünftigen Walzer getanzt hat, oder dass ein anderer – natürlich verheirateter – Spitzenpolitiker wild schmusend mit halb so alter Verehrerin mitten im vollen Wirtshaus seine Runden drehte. Beim Jakober von einem angeheiterten Parteichef angerempelt zu werden – wohl nur in Alpbach möglich! Vor dem Wirtshaus fuhren manchmal die schwarzen Limousinen mit Wiener Kennzeichen vor. Aus denen mediale Eliten ebenfalls oft in junger Begleitung stiegen, um das Partyvolk zu beehren. Nach außen gedrungen ist von den Partys, Flirtereien und Alpbach-Pantscherl eigentlich nur einmal etwas: Der Fall Peter Pilz und seine vermeintliche sexuelle Belästigung einer anderen Alpbach-Teilnehmerin. Fotos vom privaten Treiben finden sich bewusst nicht in den Medien wieder und das ist auch gut so, denn man soll sich ja ungezwungen austauschen können.

Während des Treffens kann man bei unzähligen „Fireside“ Talks in der intimen Atmosphäre von Hinterzimmern uriger Wirtshäuser von Unternehmens- und Politikeliten höchst spannende und teils sehr private Eindrücke aus ihrem Leben bekommen. Da verteidigte mir gegenüber die harte Managerin ihre Vita und der altgediente Politiker erzählte vom emotionalen Auffangen seinerseits durch die Gattin nach einem harten zehrenden Arbeitstag.

Auch aufstrebende Polit-Stars wie Sebastian Kurz haben das Forum unsicher gemacht und hier erfolgreich ihre Netzwerke geknüpft. In Kurz Fall zum Beispiel entstand die Freundschaft mit seinem Intimus und späteren Kabinettschef Bernhard Bonelli genau während ihrer Stipendiatszeit beim Forum. Alpbach ist also immer durchaus eine Reise wert, auch wenn linksprogressive Aktivisten auch hier dem intellektuellen Treiben leider immer erfolgreicher ihren Stempel aufdrücken.

Der Bögler-Hof: Das „Sacher“ des Forums Alpbach

Das Nationenbingo bei den Stipendiaten

Ursprünglich ging es beim Forum darum, österreichische Studenten in den Ruinen Nachkriegsösterreichs für die europäische Idee zu begeistern. Sie sollten hier mit erfahrenen Politikern, Experten, Forschern und Wirtschaftstreibenden über die Zukunft diskutieren können. Das funktionierte für Österreich jahrzehntelang auch wunderbar, hat es doch Austausch zwischen Jung und Erfahren ermöglicht und die europäische Integration Österreichs vorangebracht.

Die Idee des Forums Alpbach heute ist es aber seit geraumer Zeit, aus Studierenden bestehende Clubs in europäischen Regionen und Ländern zu etablieren. Österreich alleine genügt den Organisatoren nämlich nicht mehr. Diese unterschiedlichen Alpbach Clubs laden dann talentierte Studenten zum Forum ein. Mit einer größeren oder kleineren finanziellen Unterstützung, die in der Regel von den Clubs (beispielsweise dem Club Alpbach Niederösterreich, siehe: https://www.club-alpbach.at/) bei Unternehmen, Staat und Institutionen eingeworben wird. Am stärkten vertreten sind noch (!) die Clubs der österreichischen Bundesländer! Deren Kontingente aber werden vom Forum Jahr für Jahr weiter eingeschränkt, was zur Folge hat, dass viele österreichische Interessenten leer ausgehen und dann solche Schlagzeilen präsentiert werden können:

Stipendiaten aus 100 Nationen in Alpbach

In den letzten fünf Jahren ist die Anzahl der unterschiedlichen Nationalitäten deutlich gestiegen, sagt Sonja Jöchtl von der Stiftung. Waren es damals noch 40, sind es mittlerweile 100 verschiedene Herkunftsländer

https://tirol.orf.at/stories/3010022/

Ausgehend von Österreich arbeitete das Forum in den letzten Jahrzehnten nämlich bei den Stipendiaten an einer – freundlich ausgedrückt – übermotiviert wirkenden Internationalisierung. Möglichst viele Nationen sollen unbedingt nach Alpbach gelockt werden. Dabei spielt das EUROPÄISCHE (!) Forum schon in Mittel- West und Südeuropa clubmäßig, wie auch die Zahl der eingeladenen Stipendiaten betreffend , leider nicht wirklich eine Rolle. Deutsche, Italiener, Franzosen, Benelux-Staatsangehörige finden sich in nur marginaler Zahl beim Forum. Alpbach Clubs sind in also genau in DEN politisch und einflussmäßig europäisch relevanten (!) Ländern rar gesäht.

Der Alphof in Alpbach: So manche Party findet hier statt 😉

Das woke osteuropäische Forum: Ein Relikt der österreichischen Bankenexpansion

In ganz Italien gibt es abseits Südtirols aktuell keinen eigenen Alpbach-Club, ebensowenig in Spanien, Skandinavien, Benelux oder im alpinen Nachbarland Slowenien. Dafür existieren unzählige osteuropäische Clubs, stark gesponsert von österreichischen Unternehmen vor Ort, was wohl deren Personalpolitik eher wiederspiegelt als Alpbachs Strahlkraft auf den Balkan.

Politisch interessant für uns Österreicher und unser europäisches Forum wäre allerdings nicht nur die Perspektive unserer Alpbach-Fans vom Balkan, – sorry -, sondern naturgemäß verstärkt jene von Vertretern der großen EU-Mitgliedsländer. Wenn man schon die Idee verfolgt, dieses Forum zu einer einflussreicheren europäischen Institution zu machen & österreichische Teilnehmer dafür draußen hält, müssten zumindest Deutschland, Frankreich und Italien nennenswert vertreten sein.

Für diese Diversitätsagenda weisen das Forum, bzw. die österreichischen Clubs infolge der Zahlenlimits, dann reihenweise gut qualifzierte österreichische Bewerber mit ausgezeichneter Vita ab, um mit den Sponsorgeldern österreichischer Firmen dann – selbst erlebt – südamerikanische oder asiatische Studenten einzufliegen. Das Forum schafft Kontingente für „exotische“ Clubs wie den Alpbach Club Montenegro und als österreichischer Teilnehmer mit hartem Selektionsprozess trifft man beim Forum dann auf internationale Teilnehmer, die teils nur zufällig über das Forum gestolpert sind. Nationenbingo Ole! Diese sitzen dann aus eigener Erfahrung teilweise gelangweilt bei den politischen Gesprächen in österreichspezifischen Runden und verstehen bei deutschsprachigen Fireside-Talks sowieso nur Bahnhof.

Statt Clubs in Spanien und Italien oder einer größeren Anzahl von Regionalclubs in Deutschland und den Niederlanden zu forcieren, unterhält das europäische (!) Forum dafür den „Club Alpbach Turkey“ und das „Forum Alpbach Middle East“. Hier wäre also unbedingter Handlungsbedarf. Es ist einfach unfair und auch unsinnig beim österreichischen Forum Alpbach, großzügig finanziert von der Repubik Österreich, sehr gute österreichische Bewerber en-masse abzulehnen, nur um beim „Pass-Bingo“ im Folgejahr medial eine größere Diversität vermelden zu können.

Wokster im Vormarsch: Alpbach-Pride, Diversität, Progressivität und feministische Demos im Bergdorf

Der politische Kulturkampf hat über diverse linke Clubs wie die IG Wien natürlich auch Alpbach errreicht. Wie man auf ihrer Webseite schön sieht, propagiert etwa die IG Wien (siehe https://ig-wien.at/) allerlei Buntes, Linkes, Progressives, Diverses und demonstriert in Alpbach regelmäßig – warum auch immer. Dazu veranstaltet sie eine „Alpbach-Pride“ , weil die jungen Akademiker und die anwesenden Eliten aus Politik und Wirtschaft ja bestimmt an die LGBTQIA Community erinnert werden müssen. Ironie Ende. Heuer protestierte Fridays for Future.

Es gibt regelmäßig politische Märsche zu woken Themen und die Organisatoren des Forums erfahren von dieser Seite her stetigen „woken“ Druck, weshalb sie sich naturgemäß diesen Leuten und ihren Nischenanliegen immer stärker anpassen. Wer etwa glaubt, dass ein rechter Student womöglich mit FPÖ-Background in der IG Wien eine Chance für ein Alpbach-Ticket hätte, der träumt. Da hören die „Alpbacher Gedanken“ nämlich dann auf. Mangels eigener Organisationen und universitärer Schlagkraft droht hier somit der bürgerlichen Mitte wieder einmal – die Universitäten sind seit Jahrzehnten ein gutes Beispiel – eine Verdrängung aus dem Sichtfeld, sodass dann wie bei „Friday for Future“ der Eindruck entsteht, die ganze „Jugend sei so“, obwohl in Deutschland nur 1/3 der Jungen mit Luisa Neubauer und Co. sympthatisieren. Der stetige Alpbacher Linksruck des Forums steht ganz im Gegensatz zum offiziellen Ansinnen des neuen Forum-Chefs Treichl:

Es gehe darum junge Menschen „egal ob links, rechts oder grün“ hinter den großen Themen zu vereinen.

Andreas Treichl, in „Die Presse“ (23.08.2022): S. 21

Politisch steht das Forum von seinen Führungseliten her für einen liberalen, eher unkritischen EU-verliebten linksbürgerlichen Kurs mit grünem Anstrich. Angeführt von links orientierten Bürgerlichen wie Erhard Busek, Franz Fischler, Othmar Karas und nun Andreas Treichl war es einst auch eines der Spielfelder für die jungen NEOS bei ihrer Parteigründung. Themen wie Integrationsprobleme, Islamisierung, Überfremdung sind zwar europäische Realität und ein großes Problem, wohl aber zu kontrovers für das Forum, um ihnen hier breiten Raum zu geben. Alpbach will lieber andere Fragen stellen:

Wir fordern Grenzen heraus. Geographische, politische, physiologische – gepunktete, gestrichelte oder solide – was sind Grenzen? Trennen diese uns? Limitieren sie uns? Beschützen sie uns? Oder befreien sie uns? … Sind Grenzen imaginär oder doch real?

https://www.alpbach.network/events-2019/

Soviel zur politischen Einschätzung. Eine Prise Realität würde hier dem Forum durchaus gut tun. Da könnte man etwa debattieren, was passieren würde, wenn FRONTEX oder Griechenland seine Pushbacks einstellen würden. Dann wäre der europäische Alpbach-Spirit nämlich mittelfristig nur mehr ein nahöstlicher Flaschengeist ;).

Fazit

Die höchst sinnvolle Forums- und Netzwerkidee des Austauschs zwischen Generationen, zwischen Politikern und den Jungen, wird im stipendiatischen Teil des Forums immer mehr verwässert. Österreichische Teilnehmer werden zunehmend hinausgedrängt, um möglichst viele Nationen einladen zu können. Diversität ist das Ziel, sinnhaft ist dieses Nationenbingo aber nicht wirklich. Welche kritische, sinnvolle politische Frage könnte denn eine armenische oder brasilianische Studentin letztlich dem österreichischen Regierungschef oder Finanzminister stellen? Oder dem OMV-Chef? Oder dem CEO der Erste Bank? Das sind letztlich abseits von Uniprofessoren und Experten DIE spannenden Leute vor Ort, mit denen man sich austauschen könnte. Für Österreicher ist es dagegen ein tolles Erlebnis und natürlich auch eine Inspiration für die eigene Karriere und das eigene politische Engagement, wenn man in den Tiroler Bergen auf diese Leute trifft, die man sonst ja nur aus der Zeitung kennt.

Es ist zweifelsohne großartig, in Alpbach Leute von der ganzen Welt kennen zu lernen und mit ihnen zu diskutieren, zu feiern und sich auszutauschen. Sinnvoller wäre es aber dennoch, die Stipendiaten auf Österreich plus Nachbarländer zu beschränken und so mitteleuropäische Netzwerke zu schaffen, die auch geographisch-politisch Sinn machen. So etwa , wenn zum Beispiel der „Kurz von morgen“, den „italienischen oder tschechischen Premier von morgen“ in Alpbach kennen lernen würde. Aktuell entwertet die etwas erzwungene Internationalisierung des Forums die ursprüngliche, sehr gute österreichische bzw. dann in der Folge mitteleuropäische Vernetzungsidee.

Auch wären politisch mehr unkonventionelle und weniger „woke“ Themen höchst angebracht. Ungeschminkt über Europas Probleme wie etwa die Migration zu sprechen, ist nach den Erfahrungen, die ich in Alpach gemacht habe, nicht wirklich möglich, denn eher linksliberale Themen dominieren die Agenda. Abgesehen von dieser Kritik ist das Forum Alpbach allerdings immer noch ein wunderbarer Ort, in dem man sich mit vielen intellektuellen und einflussreichen Leuten austauschen kann, in dem man tolle Vorträge zu spannenden, zukunftsträchtigen Themen erleben und von außergewöhnlich talentierten Vortragenden profitieren kann.

Abschließend ein kleiner Denkanstoß für alle woken Forum-Alpbach-Europa-Fans: Die Bezeichnung Europäer kommt ursprünglich aus der mozarabischen Chronik (754 n. Chr.) und zwar im folgenden Kontext:

Als Europäer beschreibt er das auf der Seite Martells kämpfende Heer, welches eine „[…] kontinentale Gemeinschaft der Völker nördlich von Pyrenäen und Alpen[…] “ darstellt. Diese Europäer, die sich zusammengeschlossen haben um gegen die arabische Bedrohung zu kämpfen und auch gewannen.

https://www.grin.com/document/174398

Die ursprünglichen „glühenden Europäer“ (um die NEOS und Grünen zu paraphrasieren), waren also ein Kollektiv von Kriegern, angeführt von Karl Martell, die so gar keine Lust hatten, sich dem arabischen Islam zu unterwerfen.

Links & Quellen

https://tirol.orf.at/stories/3010022/

https://www.derstandard.at/story/2000093886826/bernhard-bonelli-an-den-schalthebeln-der-koalition

Schaur-Wünsch Teresa und Wallner Anna Maria: Alles anders in Alpbach. In: „Die Presse“ vom 23.08.2022: S. 21