
Vielen Europäern ist gar nicht bewusst, dass man in den USA ein spöttisches Schlagwort für unseren Kontinent geprägt hat: „Europoor“ – eine Mischung aus Europe und poor, die auf die wachsende wirtschaftliche Kluft zwischen der alten und der neuen Welt anspielt und so zynisch der Begriff auch klingt, er trifft leider ins Schwarze. Vergleicht man etwa die reichsten Länder Europas mit den US-Bundesstaaten, zeigt sich das ganze Ausmaß: Österreich etwa würde beim BIP pro Kopf in den USA nur auf dem vorletzten Platz aller 50 Bundesstaaten landen. Während Österreich noch (!) eines der reichsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Europas ist, wäre es in den USA beim Bruttoinlandsprodukt die blamable Nummer 49 von 50 Bundesstaaten.
Dabei lagen zwischen 2006 und 2008 die USA und die EU beim absoluten Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch nahezu gleichauf – zeitweise lag die EU sogar leicht vorne. Angesichts ihrer deutlich größeren Bevölkerung bedeutete das jedoch bereits damals einen wirtschaftlichen Nachteil für Europa. Im Jahr 2025 hat sich das Bild noch einmal dramatisch verändert: Trotz mittlerweile rund 100 Millionen Einwohnern mehr liegt die EU beim absoluten BIP mittlerweile meilenweit hinter den USA – und beim BIP pro Kopf fällt der Abstand noch deutlich gravierender aus. Laut Prognosen der EU-Kommission beträgt das EU-BIP 2025 rund 18,6 Billionen Euro, während jenes der USA bei rund 27 Billionen liegen wird. Es besteht also bald eine Differenz von 10 Billionen Euro!
Die folgende Grafik liefert einen ersten eindrucksvollen Beleg dafür, was das wirtschaftlich für die Haushalte bedeutet: In den USA erzielen ganze 41 Prozent der Haushalte ein Jahreseinkommen von über 100.000 Dollar. In Österreich (bzw. in der EU) bewegen wir uns in völlig anderen Größenordnungen mit sehr viel geringeren Anteilen. Zwar relativieren die unterschiedliche Kaufkraft und sozialstaatliche Leistungen manche Unterschiede, doch das Gesamtbild bleibt eindeutig: Der Wohlstandsunterschied ist mittlerweile erheblich. Hinzu kommt, dass Lebenshaltungskosten wie Energie oder Steuern in den USA oft spürbar niedriger sind als hierzulande.
Der direkte Vergleich
Ein Blick auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf zeigt die Dramatik der Entwicklung. Während Österreich mit einem BIP pro Kopf von rund 56.856 US-Dollar (2023) zu den wohlhabendsten Ländern Europas zählt, würde es im Vergleich zu den 50 US-Bundesstaaten nur auf dem vorletzten Platz landen – lediglich Mississippi und West Virginia liegen auf ähnlich niedrigem Niveau wie Österreich. Zum Vergleich: In den USA reicht das BIP pro Kopf von etwa 53.872 US-Dollar (Mississippi) bis zu 266.787 US-Dollar (District of Columbia), der US-Durchschnitt lag 2023 bei rund 83.000 US-Dollar pro Kopf. In der EU liegt der Durchschnitt dagegen nur bei etwa 40.060 Euro und damit der Hälfte. Nur Luxemburg und Irland können mit den reichsten US-Bundesstaaten mithalten.
Noch zwischen 2006 und 2008 lagen die USA und die EU beim absoluten BIP gesamt betrachtet aber nahezu gleichauf. Doch während die EU heute (2025) mit rund 100 Millionen mehr Einwohnern aufwartet, ist der Abstand beim Gesamt-BIP 2005 auf eine Differenz von rund 9 Billionen Euro gewachsen. Das wird sich in nächster Zeit nicht ändern! Die US-Wirtschaft bleibt robust und wächst 2025 um etwa 2,3 bis 2,8%, während die EU nur auf rund 1,1 Prozent Wachstum kommen wird. Das US-BIP wird für 2025 auf rund 30,5 Billionen US-Dollar geschätzt, das der EU liegt deutlich darunter.
Ein besonders markanter Unterschied zeigt sich beim Haushaltseinkommen: In den USA erzielen etwa 41% der Haushalte ein Jahreseinkommen von über 100.000 Dollar. In Österreich und den meisten anderen europäischen Ländern sind solche Verhältnisse wirtschaftlich undenkbar. In den USA gilt ein sechsstelliges Einkommen längst nicht mehr als „reich“, sondern vielerorts lediglich als Mittelklasse – insbesondere in teuren Metropolen wie San Francisco oder New York. In Österreich und anderen europäischen Ländern ist ein solches Einkommen dagegen die absolute Ausnahme.

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Kaufkraft und Lebenshaltungskosten: Der zweite Blick
Nicht alle Unterschiede lassen sich freilich eins zu eins vergleichen, da die Kaufkraft zwischen Europa und den USA variiert. Dennoch bleibt der Wohlstandsunterschied auch nach Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten erheblich. Die Energiepreise sind in den USA aufgrund günstiger Gaspreise und hoher Eigenförderung traditionell auch noch deutlich niedriger als in Europa. Wenn etwa die Gaspreise in Europa zeitweise viermal so hoch wie in den USA lagen, schlägt sich das auch in den Stromkosten nieder. Auch Steuern und Abgaben sind in den USA – abhängig vom jeweilige US-Staat – meist viel niedriger als in den meisten EU-Ländern.
Was bedeutet das aber nun für den Alltag?
- Höheres Einkommen, längere Arbeitszeiten: US-Haushalte verfügen im Schnitt über 21–35% mehr verfügbares Einkommen als deutsche oder österreichische Haushalte – allerdings zu dem Preis, dass Amerikaner im Schnitt deutlich mehr arbeiten. Es gibt viel mehr Geld, aber auch weniger Urlaub und weniger Freizeit.
- Konsum und Sparen: Der private Konsum pro Kopf ist in den USA etwa ein Drittel höher als in Deutschland, die Sparquote dafür niedriger. Während die USA viele Güter importieren und gerne auf Pump einkaufen, wird in Europa mehr gespart. Vielfach leider auf niedrig verzinsten Bankkonten, anstatt breit in den Aktienmarkt, Anleihen und Startups zu investieren wie in den USA.
- Wohnverhältnisse: Die Wohnfläche pro Kopf ist in den USA ebenso größer als in der EU, allerdings gibt es klare qualitative Unterschiede bei Energieeffizienz und Infrastruktur.
- Soziale Absicherung: In Europa profitieren Bürger stärker von kostenlosen oder subventionierten öffentlichen Gütern wie Gesundheit, Bildung und Sozialleistungen, was in den USA weniger ausgeprägt ist. Auch dort sind aber viele ältere Bürger von staatlichen Programmen wie Medicare/Medicaid in der Gesundheitsversorgung abhängig.
Hinzu kommen strukturelle Belastungen, welche die Europäische Union noch zusätzlich schwächen: Höhere Steuern, hohe Energiepreise, ein überregulierter Arbeitsmarkt und ein ausufernder Wohlfahrtsstaat bremsen kollektiv den individuellen Wohlstand aus. Wer in Europa 100.000 Euro verdient, hat netto in der Regel weit weniger zur Verfügung als ein Amerikaner mit vergleichbarem Bruttoeinkommen. Während die USA konsequent auf wirtschaftliche Dynamik, Steuerwettbewerb und Digitalisierung setzen, scheint Europa auf der Stelle zu treten – oder gar rückwärts zu gehen. Investitionshemmnisse, politische Unsicherheiten, Fachkräftemangel und eine oft innovationsfeindliche Haltung bremsen das Wachstum aus.

Der große transatlantische Wohlstandsverlust
Zwischen 2006 und 2008 lag die Europäische Union beim absoluten Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch gleichauf mit den USA – mitunter sogar leicht darüber. Ein trügerisches Bild, denn mit rund 100 Millionen mehr Einwohnern war Europa auf Pro-Kopf-Basis bereits damals im Nachteil. Doch seither hat sich die Kluft weiter geöffnet – und das in einem besorgniserregenden Ausmaß.
Das liegt nicht nur an konjunkturellen Schwankungen, sondern vor allem an strukturellen Problemen: Die Produktivität in Europa wächst deutlich langsamer als in den USA, die Investitionen in Digitalisierung, Forschung und Entwicklung hinken hinterher und die EU leidet unter fragmentierten Kapitalmärkten, einem überregulierten Arbeitsumfeld und einem insgesamt innovationshemmenden Klima. Während amerikanische Unternehmen Zugang zu tiefen Kapitalmärkten haben, sind europäische Firmen stärker auf Banken angewiesen und haben es schwerer, zu skalieren und zu expandieren. Auch bei der Erholung nach der Krise 2008 zeigte sich Europa schwächer – insbesondere durch die langwierige Schuldenkrise in der Eurozone, die viele Staaten zu rigider Austeritätspolitik zwang.
Dazu kommt ein währungsbedingter Effekt: Da sich der Euro gegenüber dem US-Dollar seit 2008 deutlich abgeschwächt hat, erscheint der wirtschaftliche Abstand in nominaler Rechnung noch größer. Doch auch bei kaufkraftbereinigten Zahlen zeigt sich ein eklatanter Rückstand. Verstärkt wird dieser Trend durch günstigere Lebenshaltungskosten, niedrigere Steuern und eine unternehmerfreundlichere Kultur in den Vereinigten Staaten. Die USA wachsen also dynamischer, belohnen Risiko und Unternehmertum, investieren mehr – während Europa sich in Selbstzufriedenheit, regulatorischem Dickicht, alternder Demografie und struktureller Wachstumsschwäche verliert. Die USA haben ihren wirtschaftlichen Vorsprung also massiv ausgebaut.
Fazit
Der Begriff „Europoor“ mag polemisch sein, doch die Zahlen belegen einen realen, massiven und wachsenden Wohlstandsunterschied zwischen Europa und den USA. Während die USA der EU trotz eines gemeinsamen Wirtschaftsraums wirtschaftlich weiter enteilen, droht Europa trotz hoher Lebensqualität und sozialer Absicherung, im globalen Vergleich weiter an Boden zu verlieren. Die Debatte um „Europoor“ ist damit mehr als nur Internet-Slang – sie wirft einen kritischen Blick auf die wirtschaftliche Zukunft des Kontinents. „Europoor“ ist mehr als ein zynisches Meme – er ist ein Weckruf. Er benennt nämlich nicht nur eine ökonomische Realität, sondern auch eine gefährliche Selbstzufriedenheit, die sich in vielen europäischen Ländern breitgemacht hat. Während man sich hierzulande auf vergangene Erfolge beruft, setzen andere Regionen auf Zukunft.
Wenn Europa seinen wirtschaftlichen Anschluss nicht völlig verlieren will, braucht es künftig eine neue liberale Wachstumsagenda a la USA: Weniger Bürokratie, mehr Investitionen in Bildung und Digitalisierung, steuerliche Anreize für Innovation – und den Mut, unbequeme Reformen endlich anzugehen.
Passiert das nicht, droht der Spott von „Europoor“ bittere Realität zu werden und bleibt nicht bloß ein amerikanischer Seitenhieb. Das Wirtschaftswachstum in den USA war in den letzten Jahren nämlich durchwegs stärker als in der EU. Für 2024 wird in den USA ein reales BIP-Wachstum von etwa 2,8 % prognostiziert, im Jahr 2023 lag es bei 2,9 %. Für 2025 wird jedoch eine Verlangsamung auf etwa 1,5 % erwartet, was auf Unsicherheiten durch die erratische Zollpolitik unter der Trump-Administration zurückzuführen ist. Die EU hingegen kämpft seit 2008 mit einer viel schwächeren Konjunktur. Im Jahr 2024 wurde ein Wachstum von etwa 1 % in der Eurozone erreicht, während Deutschland, die größte Volkswirtschaft der EU, gar um 0,1 % geschrumpft ist.
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2 thoughts on “Europoor: Wie Europa wirtschaftlich gegenüber den USA verarmt!”
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