Die Wiedergeburt von Budapest: Das Hauszmann Programm

Wie leider viele österreichische und deutsche Städte wurde auch die alte k.u.k. Metropole Budapest im Zweiten Weltkrieg während der Belagerung durch die rote Armee 1944/45 schwer zerstört. Während den wochenlangen Kämpfen um die Stadt gingen viele architektonisch wertvolle und historisch signifikante Gebäude verloren. Manche wurden zwar nur beschädigt, aber dann nach 1945 von den Kommunisten abgerissen oder für neue Zwecke umgebaut. Budapest setzt deshalb unter der Orban-Regierung seit Jahren auf eine detailgetreue Rekonstruktion und hat im Zuge dessen unter anderem das Hauszmann Programm verabschiedet. Das nach dem k.u.k. Architekten Alajos Hauszmann (1847-1926) benannte Programm sieht vor, den Budaer Burgberg – das königliche Herz von Budapest  – historisch zu rekonstruieren. Es ist ein Programm , in dem konservative Ideen, nationaler Stolz und zukunftsgewandte architektonische und tourismusrelevante Ideen ineinanderfließen.

Mit dem Hauszmann Programm sollen die Spuren von Krieg und Kommunismus vom 700 Jahre alten historischen Burgberg von Buda beseitigt werden. Man will das alte Antlitz des Burgberges vor den Zerstörungen ab 1944 wiederherstellen. Der kleinere Stadteil Buda soll damit touristisch interessanter werden und am Burgberg wieder vollständig zum alten Glanz der k.u.k. Monarchie zurückfinden. Auch in Pest – der anderen Hälfte der Stadt – gibt es ein Rekonstruktionsprogramm der Regierung. Im Zuge dessen wurden auch hier Baulücken geschlossen, Rekonstruktionen vorgenommen und kommunistische Zweckarchitektur durch historische Vorgängerbauten ersetzt. Budapest und Ungarn zeigen damit vor, dass man auch im 21. Jahrhundert wieder an den Glanz der Belle Epoque anknüpfen kann.

Viele schnell und billig errichtete Nachkriegsgebäude haben auch in Österreich und Deutschland längst das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Sanierungen oder Neubauten stehen somit in den nächsten Jahren an, womit auch hierzulande eine Debatte darüber starten könnte und sollte, wie man baulich die Schäden des Krieges und die Hässlichkeit eines überhasteten Wiederaufbaues beheben könnte. Künftige Generationen von Touristen wie die aktuellen Stadtbewohner würden es unserer Generation jedenfalls danken!

Budapests zweite Renaissance: Wie das Hauszmann-Programm das Burgviertel neu erfindet

Mit dem Nationalen Hauszmann-Programm unternimmt Ungarn eines der ambitioniertesten historischen Städtebauprojekte Europas. Ziel ist die Rückgewinnung einer kulturellen Identität und zwar durch die originalgetreue Wiederherstellung historischer Bauten im Budapester Burgviertel. Doch was wie ein klassisches Restaurierungsvorhaben klingt, ist in Wahrheit ein politisches, ästhetisches und gesellschaftliches Statement Ungarns. Worum es wirklich geht, ist nämlich mehr als nur Denkmalpflege. Das Hauszmann-Programm versteht sich als Teil einer kulturellen Rückeroberung. In der offiziellen Strategie heißt es, man wolle „das historische Gedächtnis der Nation sichtbar machen“. Die Rückkehr zur vormals zerstörten Architektur wird dabei nicht nur als ästhetische, sondern auch als identitätsstiftende Maßnahme begriffen. Die Architektur soll der Bevölkerung ein Gefühl der Kontinuität vermitteln, auch wenn die Baumaterialien der Projekte ganz neu sind.

Das Burgviertel von Buda war nämlich über Jahrhunderte das Machtzentrum Ungarns – Sitz von Königen, Zentrum höfischer Kultur und ein wichtiges Symbol nationaler Identität. Im Zweiten Weltkrieg und in der sozialistischen Nachkriegszeit wurden jedoch viele historische Gebäude im Burgviertel beschädigt und später teilweise auch abgerissen. Die kommunistische Stadtplanung hatte bei ihren Plänen lieber auf Funktionalität und den Bruch mit der monarchischen Vergangenheit gesetzt. Manche Bauplätze wurden leer gelassen, andere im kommunistischen Sinne wenig detailgetreu rekonstruiert . Die Orban-Regierung setzt hier deshalb nun bewusst auf das Gegenteil: Eine Besinnung auf die Vergangenheit soll durch die detailgetreue Rekonstruktion historischer Bauten befeuert werden. Das betrifft auch historische Innenräume wie den Saal des heiligen Stephan (siehe unten).

Das ab 2014 initiierte Hauszmann-Programm verfolgt somit einen für Westeuropa ungewöhnlich konsequenten Ansatz: Statt modernistischer Neubaulösungen soll das historische Erbe also in seinen ursprünglichen Formen wieder zum Leben erweckt werden. Es geht um die Rekonstruktion verlorener Gebäude, die Wiederherstellung barocker Innenräume und die Reanimation verschwundener Plätze und Wege. Die bauliche Wiederherstellung wird zur Antwort auf die historischen Brüche des 20. Jahrhunderts – von der deutschen Besatzung über die kommunistische Herrschaft bis hin zur postmodernen Beliebigkeit. In Berlin zum Beispiel beim Stadtschloss oder in Frankfurt beim Königsweg tat man sich teilweise schwer und wählte bei der Rekonstruktion letztlich eine komische Mischform aus moderner und alter architektonischer Substanz — aus Angst vor möglichen Kritikern an einer „Disneylandisierung“ . Ungarn dagegen fürchtet sich davor offensichtlich gar nicht.

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Hauszmann Programm
Der Wiederaufbau des Wachhauses; Quelle: https://nemzetihauszmannprogram.hu/nhp-strategy-2021.pdf

Der Wiederaufbau

Der Umfang des Projekts ist für ein eher kleines Land wie Ungarn enorm. Viele Bauten und Plätze werden im Zuge dessen rekonstruiert oder grundlegend umgestaltet. Besonders viele Rekonstruktionen gibt in Budapest:

  • Wiederbelebung der Stadtgärten: Mehr als 7.000 m² neue Grünflächen, Obstbäume und Schattenplätze sollen das Viertel nicht nur historisch, sondern auch lebenswerter machen.
  • Erzherzog-Joseph-Palais: Das 1968 abgerissene Palais wird auf dem St.-Georgs-Platz originalgetreu wiedererrichtet – inklusive neobarocker Fassade, dekorativer Steinmetzarbeiten und Kupferdach. Geplant ist dort der neue Sitz des Verfassungsgerichtshofs.
  • Sankt-István-Saal: Der prunkvolle Thronsaal im Burgpalast wurde mit kostbaren Wandtextilien, vergoldeter Kassettendecke und historischen Möbeln rekonstruiert – ein Musterbeispiel historischer Innenarchitektur.
  • Főőrség (Hauptwache) & Reithalle: Zwei zentrale Elemente aus der Kaiserzeit wurden detailgetreu aufgebaut und dienen heute als Veranstaltungsorte mit musealem Charakter.
  • Neugestaltung öffentlicher Räume: Der St.-Georgs-Platz, einst ein trostloser Parkplatz, wird zum lebendigen urbanen Raum mit Springbrunnen, neuen Bäumen, barrierefreien Wegen und Caféterrassen – im Stil der Jahrhundertwende.
  • Der Turm des Ungarischen Nationalarchivs, welcher nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen wurde, wird rekonstruiert.
  • Das alte ungarische Verteidigungsministerium (aka das k.u. k. Honvédministerium) wird wieder hergestellt.
  • Das historische Gebäude des roten Kreuzes entsteht neu, so auch das Karmeliterkloster.
Die Originalaufnahme der nun rekonstruierten Halle des heiligen Stephan; Quelle: https://nemzetihauszmannprogram.hu/nhp-strategy-2021.pdf

Wiederaufbau mit Zukunft: Der historische Stil als neue Moderne

Was auf den ersten Blick nach Rückwärtsgewandtheit aussieht, ist in Wahrheit hochmodern gedacht: Rekonstruktion wird hier nicht als bloßes Museumskonzept verstanden, sondern als urbane Innovation. Die rekonstruierten Gebäude sollen wieder mit Leben gefüllt werden – durch staatliche Institutionen, Museen, Veranstaltungen und Gastronomie. Besonderer Wert wird auf nachhaltige Materialien, Handwerkskunst und lange Haltbarkeit gelegt. Viele Elemente – vom Parkett bis zur Wandverkleidung – werden nach historischen Techniken gefertigt, um die ursprüngliche Qualität und Atmosphäre zu sichern. Auch die digitale Vermittlung spielt eine Rolle: Über soziale Medien, VR-Anwendungen und Ausstellungen soll die Bevölkerung eingebunden und sensibilisiert werden. Es geht darum, die Geschichte nicht nur zu zeigen – sondern diese auch spürbar zu machen.

Das ungarische Verteidigungsministerium; Quelle: https://www.facebook.com/nemzetihauszmannprogram/photos

Österreich und Deutschland: Der finanzielle Aspekt

Nicht nur im Ungarn wird fleißig rekonstruiert, sondern auch in allen EU-Ländern Osteuropas. Polen etwa baut Teile von Warschau und ganz Danzig in historischer Manier wieder auf. Das Ganze wird mitermöglicht durch milliardenschwere EU-Gelder der Nettozahler, von denen ein Gutteil von Österreich und Deutschland erbracht wird. Dieser – sinnvolle – Umgang mit Steuergeld sollte uns daher vielleicht auch selbst zu denken geben. Wenn Wien etwa Milliarden für den U-Bahnausbau ausgeben kann, dann sollte wohl auch etwas Geld für sinnvolle Rekonstruktionen vorhanden sein. Hier sind in Deutschland etwa Potsdam und Dresden Vorreiter! Viele andere, einst schwer zerstörte Städte sollten diesen Vorbildern rasch folgen.

Auch Wien hat – bei aller Schönheit – einige äußerst hässliche Nachkriegsbauten an extrem prominenten Plätzen. Da wäre etwa die ganze Westfront des Stephansplatzes – das Haashaus ausgenommen oder der Kennedyhof am Nordende des Platzes. Der Hohe Markt in Wien ist ein weiteres prominentes Beispiel von hässlichen Nachkriegsbauten und erinnert eher an Osteuropa. Auch prominent gegenüber der Staatsoper steht mit dem Opernringhof ein Ausdruck moderner Hässlichkeit und Beliebigkeit. Die Stadt sah vor Hitlers Angriffskrieg im Zentrum, ganz objektiv betrachtet, einfach viel besser aus als heute. Auch dem Schwedenplatz und einigen Nebenstraßen im Ersten Bezirk würden eine Rückkehr zum Stand von 1939 visuell gut tun. Richtig organisiert und umgesetzt kann das auch für die Stadt ein Geschäft sein – zumindest solange man wie in Potsdam auch private Mäzene (Günther Jauch, Hasso Platner) in solche Vorhaben miteinbezieht!

Zu lange wurde hierzulande nämlich bei der Baukultur gespart, obwohl genau Wien heute davon enormst profitiert, dass in der Monarchie eben genau das nicht getan wurde. Hässliche austauschbare postmoderne Städte gibt es auf der Welt zuhauf! Österreich dagegen erzielt 7% seines BIPs mit Einnahmen aus dem Tourismus eben genau deshalb, weil es sehenswert ist. Es gibt also hierzulande genügend Geld und Potential , die bestehende hässlichen Überbleibsel von Krieg und Wiederaufbau anzugehen – freilich dort, wo es den meisten Sinn macht, nämlich in den viel frequentierten Stadtzentren!

Hauszmann Programm
Rekonstruierte Gärten im Rahmen des Hauszmann Programms; Quelle: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=1429824057890585&set=pb.100025890144491.-2207520000&type=3

Fazit

Budapest macht mit dem Hauszmann Programm hier vieles richtig und künftige Generationen werden dies den heutigen Politikern danken. Nach dem Krieg machten schnelle und billige Rekonstruktionen von Zweckbauten Sinn, aber acht Jahrzehnte danach darf man sich weiterentwickeln. Wenn diese Weiterentwicklung im Sinne des UNESCO-Welterbes Richtung Vorkriegsbauten geht, die von exzellenten Architekten in einer kulturellen Blütephase geschaffen wurden, dann ist das sicher keine schlechte Entwicklung. Der Stadt gibt das zudem neuen Spielraum für die Erfüllung urbaner und touristischer Aufgaben. Geld ist jedenfalls kein Argument: Es werden gegenwärtig hierzulande Milliarden für weit weniger nachhaltige Projekte verschwendet.  Die Bauindustrie würde sich in der Rezession zudem ebenfalls über derartige Aufträge freuen!

Das Nationale Hauszmann-Programm ist aber weit mehr als ein Bauprojekt. Es ist auch ein symbolisches Unterfangen, das die ungarische Geschichte wieder in Stein meißelt, politische und historische Haltung über Architektur vermittelt und eine historische Leerstelle mit neuer Bedeutung füllt. Ob als identitätsstiftender Kraftakt oder als nostalgischer Rückgriff, das wiedererstehende Burgviertel wird das Bild Budapests verändern – und zeigt, dass Stadtplanung immer auch eine Frage der kulturellen Erzählung ist. Vor 120 Jahren war das freilich viel eher eine Frage der Ästhetik als heute, wo vor allem Infrastruktur und schneller billiger Wohnraum zählt.

Architektonisch brauchen die Städte Mitteleuropas jedenfalls neue Impulse. Gegenwärtig wird nämlich vor allem billig und einfallslos gebaut. Immobilieninvestoren maximieren mit immer neuen „Schuhschachteln“ ihre Profite, während einfallslose Stadtverwaltungen jedes noch so beliebige Projekt profitmaximierend für die Bauherren durchwinken. Das Nachsehen hat immer die Bevölkerung, die in liebloser Architektur ihr Leben verbringen muss , obwohl gerade Städte wie Wien mit Bausubstanz in so großem Ausmaß aufzeigen, dass eine gewisse Ästhetik für Bewohner und Besucher weitaus ansprechender sein kann.

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Links & Quellen

Wiedergeburt des Budapester Burgviertels https://share.google/LnqfuugTcBkOTSax0

https://nemzetihauszmannprogram.hu/nhp-strategy-2021.pdf

https://www.facebook.com/nemzetihauszmannprogram/photos

https://ungarnheute.hu/news/das-herz-des-palastviertels-der-budaer-burg-soll-ein-neues-grueneres-und-dekorativeres-aussehen-erhalten-72299

https://ungarnheute.hu/news/nationales-hauszmann-programm-die-wiedergeburt-des-budapester-burgviertels-96613