
Wien wählt am am 27. April 2025 einen neuen Gemeinderat und der Wahlsieger steht schon fest. Das ist seit Jahrzehnten immer gleich, ganz egal welche Skandale sich ereignet haben und ob die Migration oder die Kriminalität aus dem Ruder läuft. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 stellt die SPÖ ununterbrochen den Bürgermeister der Stadt. Ihre Vorherrschaft im Gemeinderat ist nahezu unangefochten. Selbst nach dem Verlust der absoluten Mehrheit blieb die SPÖ die bestimmende Kraft in der Wiener Politik! Sie wählt nach der Wahl dann aus den Oppositionsparteien Koalitionspartner aus, die sich ihr tradtionell gerne politisch fügen. Damit einher geht stets eine politische Gängelung, wo beispielsweise die NEOS aus den Medien Vorfälle aus der Bildungsdirektion erfahren müssen, obwohl sie es sind, die den Bildungsstadtrat stellen. Ein anderes Beispiel dafür ist die Rettung der Wien Energie, welche Bürgermeister Ludwig gleich im Alleingang ohne NEOS-Konsultation durchzog.
Wie lässt sich diese anhaltende rote politische Dominanz erklären und warum scheinen die anderen Parteien wie die ÖVP, Grünen, NEOS und die FPÖ nicht in der Lage zu sein, eine ernsthafte Konkurrenz aufzubauen? Graz dagegen wechselt etwa regelmäßig die Bürgermeisterpartei aus: Seit 1980 regierten FPÖ, SPÖ, ÖVP und nun KPÖ-Bürgermeister an der Mur. Warum aber schaffen die Wiener-Parteien nach 80 Jahren SPÖ-Dominanz nicht endlich eine Zusammenarbeit gegen die SPÖ?
Sie erinnern dabei etwas an die Blockparteien der DDR, die zwar existierten, die aber nur dazu dienten, die Politik der sozialistischen Einheitspartei SED abzunicken. Im Volk verdienten sich diese machtlosen DDR-Politiker damals den Spitznamen „Blockflöten“ , denn Ost-CDU, Ost-FDP wirkten zwar souverän, stimmten dann aber immer für die Vorschläge der SED. Dieser Artikel beleuchtet nun die Gründe für die Vormachtstellung der SPÖ und analysiert jene Dynamiken, welche die Wiener Opposition schwächen.

Historische Wurzeln der SPÖ-Dominanz
Die SPÖ hat in Wien eine tief verwurzelte Tradition, die bis in die Zeit des „Roten Wien“ in den 1920er- und 1930er-Jahren zurückreicht. Nach dem Ersten Weltkrieg, als Österreich zur Republik wurde, entwickelte sich Wien unter sozialdemokratischer Führung zu einem Musterbeispiel für soziale Reformen und kommunale Politik. Der soziale Wohnungsbau – etwa die ikonischen Gemeindebauten, wie der Karl-Marx-Hof – sowie Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur schufen eine starke Bindung zwischen der SPÖ und der Wiener Bevölkerung, insbesondere der Arbeiterschicht. Diese Ära prägte das Image der SPÖ als „Partei des Volkes“, die für sozialen Ausgleich und Lebensqualität steht.
Nach 1945 festigte die SPÖ ihre Position weiter. Bei den ersten Gemeinderatswahlen nach dem Krieg errang sie die absolute Mehrheit und hat diese in den meisten Wahlen seither verteidigt. Selbst in Jahren, in denen sie Koalitionen eingehen musste – etwa mit der ÖVP 1996 oder den Grünen 2005 –, blieb sie die tonangebende Kraft. Diese Kontinuität hat der SPÖ nicht nur eine organisatorische Überlegenheit verschafft, sondern auch eine emotionale Loyalität bei vielen Wienerinnen und Wienern geschaffen, die über Generationen weitergegeben worden ist.
Strukturelle Vorteile und organisatorische Stärke
Ein entscheidender Faktor für die Dominanz der SPÖ ist ihre organisatorische Stärke. Mit etwa 30.000 Mitgliedern ist die SPÖ Wien die größte Stadtpartei. Diese Mitgliederbasis ermöglicht eine flächendeckende Präsenz in allen 23 Bezirken, wo lokale Sektionen eng mit der Bevölkerung verknüpft sind. Die Partei verfügt über ein dichtes Netzwerk an Funktionärinnen und Funktionären, die in den „Grätzln“ (Wiener Vierteln) aktiv sind und direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern pflegen. Diese Basisarbeit ist ein Vorteil, den andere Parteien nur schwer aufholen können. Die Wählerbasis der SPÖ ist breit gefächert: Sie umfasst die traditionelle Arbeiterschaft, Beamte, Gewerkschaftsmitglieder, die linke Intelligenz, aber auch Teile der Mittelschicht und Menschen mit Migrationshintergrund, die von der integrationsfreundlichen Politik der SPÖ profitieren.
Zudem kontrolliert die SPÖ Wien Schlüsselbereiche der städtischen Verwaltung und Wirtschaft. Die Wien Holding, ein städtisches Unternehmen mit Beteiligungen an über 70 Firmen, ist ein Beispiel dafür, wie die SPÖ wirtschaftliche Macht mit politischem Einfluss verbindet. Dazu kommen noch die Wiener Stadtwerke, ein weiteres Firmenkonglomerat im Besitz der Stadt. Projekte, wie der Ausbau des öffentlichen Verkehrs, sozialer Wohnungsbau und die Förderung von Kultur und Bildung werden von der SPÖ als ihre Verdienste präsentiert und von vielen Wienerinnen und Wienern auch so wahrgenommen. Diese Kontrolle über Ressourcen und Infrastruktur macht es für andere Parteien schwierig, ähnlich sichtbare Erfolge vorzuweisen. Dazu kommt ein massiver Medienapparat und dutzende Millionen an Inseratengeldern an die Medienlandschaft: Siehe dazu https://www.dermaerz.at/wien-wahl-warum-es-keine-hoffnung-auf-wechsel-gibt/
Die rote Medienmacht, sowie der klare Zugriff auf den Beamtenapparat und die öffentlichen Unternehmen sorgt dafür, dass wohl viele Skandale und Skandälchen nicht bekannt werden. Andere, wie etwa der Fall Krankenhaus Nord, fallen dann – bequem für die SPÖ – politisch unter den Tisch, wenn es um Wahlen geht und es finden sich idR nicht viele Whistleblower, die Machtmissbrauch aufdecken.
Die „Blockflöten“ in der DDR
Die sozialistische DDR-Diktatur imitierte in ihrem Parlament der Volkskammer eine plurale Demokratie, um den Bürgern vorzugauckeln, sie hätten eine politische Wahl. Bei den Wahlen traten zwar diverse konservative, liberale und sozialistische „Blockparteien“ an, aber das geschah nur im Rahmen der „Nationalen Front“. In diese Einheitsliste mussten sich alle Parteien brav eingliedern und die sozialistische Diktatur legte dann fest, wieviele Sitze jede der Blockparteien nach der Wahl in der Volkskammer bekommen würde. Das Ergebnis war bei jeder Wahl dasselbe:

Die Wahlergebnisse spiegelten also nicht den Willen der Bürger, sondern den Wunsch der SED-Führung wider. Tatsächlich hatten die Blockparteien also keine echte Macht und dienten der SED nur als Instrumente, um den Anschein von Pluralismus zu wahren und ihre Politik auch in skeptische Bevölkerungsschichten zu tragen. Ihre Rolle war es, die Vorgaben der SED abzunicken, ohne eigene politische Initiativen zu entfalten! Im Volk bekamen diese Parteien daher den Spottnamen „Blockflöten“ verpasst, der auf ihre kritiklose Unterordnung und die mangelnde Eigenständigkeit anspielte.
Die „Wiener Blockflöten“
Ein machtpolitischer Vergleich lässt sich nun zu den Oppositionsparteien in Wien ziehen. Ähnlich wie die SED in der DDR nutzt die allerorten dominante SPÖ ihre starke Stellung in der Stadt, um alle Macht und die städtischen Ressourcen in ihrem Sinne zu kontrollieren. Die zehntausenden Beamten der Stadt Wien, wie auch die Mitarbeiter in den stadteigenen Unternehmen, stehen unter SPÖ-Einfluss. Medial gibt es den eigenen Wien-Fernsehsender und Postwurfsendungen mit städtischen Jubelbroschüren. Dazu kommt der bereits erwähnte Inserateregen für die „freien“ Medien. Es ist also ein völlig unebenes politisches Spielfeld, auf dem die Opposition keine Chance auf einen Regierungswechsel hat. Wer vermeint, dass es in Österreich politisch keine Form der Orbanisierung gibt, der hat noch nie in Wien gelebt. Hier geizen selbst unabhängige Medien vor den Wienwahlen mit kritischen Artikeln, weil ein warmer Inserateregen beständig als Wiener „Medienförderung“ ausgeschüttet wird.
Während die Blockflöten der DDR allerdings realpolitisch keine echte Opposition bilden durften, hätten ÖVP, Grüne, NEOS und FPÖ in Wien zumindest theoretisch die Möglichkeit, gegen die SPÖ und ihr verhabertes System anzutreten. Sie verfügen ja über eine politische Mehrheit im Wiener Landtag seit die „Absolute“ der SPÖ Geschichte ist. Praktisch scheitern die Parteien jedoch an ihrer Uneinigkeit: Ideologische Gräben zwischen Grünen und FPÖ sowie strategische Differenzen verhindern eine Koalition gegen die SPÖ. Die FPÖ setzt etwa auf nationale Identität, Anti-Migration, Populismus und Law-and-Order-Politik, was sie für Grüne und NEOS unvereinbar macht. Die NEOS, als liberale Partei, fokussieren sich auf Bildung, Wirtschaftsreformen und Bürokratieabbau, stehen aber gesellschaftspolitisch näher bei den Grünen als bei der FPÖ. Dazu spielt die SPÖ die anderen Parteien gerne geschickt gegeneinander aus und behandelt manche besser als andere.
Wenn die „Wiener Blockflöten“ aber nicht ewig das Lied der SPÖ spielen möchten und in deren politischem Takt tanzen wollen, dann müssen sie irgendwann politisch kooperieren – ein Szenario a la Wiener Neustadt 2015, vor dem die SPÖ berechtigte Angst hat.
Fazit
Die anhaltende politische Dominanz der SPÖ in Wien ist also das Ergebnis einer Kombination aus historischer Verankerung, organisatorischer Stärke, einer politiknahen Wählerbasis und der Unfähigkeit der Opposition sich zu vereinen. ÖVP, Grüne, NEOS und FPÖ könnten theoretisch eine Anti-SPÖ-Koalition bilden, doch ihre ideologischen Differenzen und falschen strategischen Prioritäten machen eine Zusammenarbeit gegen die SPÖ undenkbar. Solange diese Zersplitterung anhält, bleibt die SPÖ die unangefochtene politische Macht in Wien. Für die anderen Parteien bleibt die frustrierende Herausforderung bestehen, entweder um SPÖ-Aufmerksamkeit zu buhlen oder eine völlig neue Form der Kooperation zu finden. Bis dahin regiert Rot weiterhin unangefochten trotz aller Skandale und negativer Entwicklungen die Donaumetropole, auch wenn es in den letzten Jahren – Stichwort Migration, Migrantenkriminalität, Wartezeit in Spitälern – mit der Stadt Wien stetig bergab zu gehen scheint.
Das einzig irgendwie politisch realistische Szenario, um die rote Allmacht in Wien derzeit abzuschütteln wäre eine Koalition von ÖVP, Grünen und NEOS unter Duldung der FPÖ. Aber selbst diese Lösung ist in weiter Ferne, buhlen doch Grüne, NEOS und ÖVP derzeit wie wild darum, um von der SPÖ nach der Wahl möglichst als Partner auserwählt zu werden. Wie bei den „Hungerspielen“ kann aber auch in Wien nur eine Partei gewinnen. Arbeiten die Oppositionsparteien mit den NEOS jedoch gegen die SPÖ zusammen, würden alle ein machtpolitisches Stück vom Kuchen abbekommen. Ein Politwechsel wäre also denkbar und in Wiener Neustadt gelang 2015 auch genau das. Eine Koalition von links bis rechts stürzte die bis dato dominierende SPÖ nach Jahrzehnten vom Thron:
Wiener Neustadt wird ab 20. Februar bunt regiert: Schneeberger (ÖVP) einig mit FPÖ, GRÜNEN, Soziales Neustadt und WIR.
Der Stadt Wien tut diese politische Alternativlosigkeit jedenfalls nicht gut. Das zeigen die verschleppten Probleme bei der Migration, die Überforderung in den Spitälern und der ungebremste Zuzug, der von der Stadtpolitik auch noch gefördert wird. Die Demokratie lebt vom Wechsel und wechselnden Mehrheiten.
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3 thoughts on “Die machtlosen Wiener „Blockflöten“: ÖVP, Grüne, FPÖ und NEOS”
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