
Der erzwungene Rücktritt von Harald Mahrer als Präsident der Wirtschaftskammer hat nun in ganz Österreich den Fokus auf eine Institution geworfen: Die Wirtschaftskammer! Tatsächlich prägt kaum eine Institution das wirtschaftliche Gefüge Österreichs so stark wie die Wirtschaftskammer. Als gesetzliche Interessenvertretung, als Serviceanbieterin und als Teil der Sozialpartnerschaft besitzt sie einen Einfluss, der weit über das hinausgeht, was ein einzelner Betrieb jemals erreichen könnte. Die Wirtschaftskammer ist nämlich ein Teil der alljährlichen Lohnverhandlungen und verhandelt somit jedes Gehalt mit. Aus bürgerlicher Sicht wird diese Rolle grundsätzlich positiv bewertet: Die Kammer stärkt marktwirtschaftliche Prinzipien, setzt sich für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes ein und bietet umfassende Unterstützung für Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie wirkt damit inhaltlich als ein Gegengewicht zu sozialistischen und sozialdemokratischen Strömungen, die in Österreich politisch stark vertreten sind.
Doch die Frage, wie eine moderne Kammer aussehen sollte, ist heute dringlicher denn je zu klären. Die Wirtschaft hat sich gewandelt: EPU und KMU dominieren numerisch die Landschaft, Innovation und Digitalisierung sind zentrale Standortfaktoren geworden und die Erwartungen an Transparenz und Effizienz steigen – nicht nur in Politik und Verwaltung, sondern insbesondere in der Wirtschaft selbst. Vor diesem Hintergrund muss sich die WKÖ die Frage stellen, ob ihre heutige Struktur noch zeitgemäß ist – vor allem, wenn man hört, dass die Wirtschaftskammer mittlerweile 5800 Mitarbeiter hat und über finanzielle Rücklagen im Ausmaß von rund 2 Milliarden Euro verfügt. Dass die Kammer ihren Mitarbeitern im Jahr 2025 rund 4,2 Prozent Gehaltserhöhung gewährt hat, während andere Branchen kürzer treten müssen, hat nun für große Aufregung gesorgt. Wir wollen nun in unserem Beitrag die Wirtschaftskammer inhaltlich vorstellen und dabei ihren Wert, wie auch berechtigte Kritik an ihr hervorstreichen.

Die tragenden Säulen der WKÖ: Warum sie unverzichtbar bleibt!
Die Wirtschaftskammer sammelt die wirtschaftlichen Anliegen der Betriebe und transportiert sie mit erheblicher politischer Schlagkraft in die Gesetzgebungsprozesse. Ob es um Steuerrecht, Arbeitsmarktfragen, Unternehmensrecht oder EU-Richtlinien geht – es gibt kaum ein wirtschaftspolitisches Feld, in dem die WKÖ nicht aktiv eingreift. Aus liberal-bürgerlicher Sicht ist diese Rolle unverzichtbar, weil atomisierte Einzelunternehmer ohne gemeinsame Stimme politisch praktisch unsichtbar wären. Erst die gebündelte Interessenvertretung verschafft ihnen Gehör und verleiht ihren Anliegen Gewicht. Gleichzeitig sorgt die sozialpartnerschaftliche Struktur für ein hohes Maß an Stabilität, das Österreich für Unternehmerinnen und Unternehmer attraktiv macht. Ein professionelles, dauerpräsentes Lobbying zugunsten marktwirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist notwendig, gerade weil der politische Alltag immer wieder neue Begehrlichkeiten nach Regulierung, Einschränkungen und zusätzlichen Belastungen hervorbringt. Besonders im Zusammenspiel mit europäischen Institutionen – etwa der EU-Kommission – stellt die Kammer oft das einzige österreichische Gegengewicht zu ausufernder Bürokratie dar.
Auch im Bereich des Service und der Beratung fungiert die WKÖ als wichtiges Sicherheitsnetz. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind weder Juristen noch Steuerexperten und können nicht jede Woche neue Fördertöpfe, arbeitsrechtliche Entwicklungen oder internationale Anforderungen im Blick behalten. Für sie stellt die Kammer ein breites Spektrum an Unterstützungsleistungen bereit – von Gründungs- und Innovationsberatung über Exportförderung und Internationalisierung bis hin zu Rechtsberatung, arbeitsrechtlicher Unterstützung, branchenspezifischem Know-how, sowie vielfältigen Fort- und Weiterbildungsangeboten. Dazu kommt die Begleitung bei Digitalisierung und Wirtschaftstransformation, die für viele kleinere Betriebe existenziell geworden ist. Gerade EPU und KMU sind auf diese Unterstützung angewiesen, um Fehlentscheidungen, unnötige Bürokratie oder rechtliche Risiken zu vermeiden. Aus bürgerlicher Sicht gilt daher: Ein gutes Service ersetzt Bürokratie. Wenn die Kammer Unternehmen befähigt, effizienter und rechtskonform zu handeln, trägt sie direkt zur Wettbewerbsfähigkeit und zur Standortqualität Österreichs bei.
Eine weitere tragende Säule ist die duale Ausbildung, die unmittelbar mit der WKÖ verbunden ist. Prüfungswesen, Ausbildungsstandards, Berufsbildgestaltung und Weiterbildungsstrukturen liegen zu großen Teilen in ihrer Verantwortung. Dieser Beitrag ist aus marktwirtschaftlicher Sicht doppelt wertvoll: Einerseits sorgt er für qualifizierte Fachkräfte, die den Betrieben sonst fehlen würden, andererseits entlastet er den Staat, der ohne die Kammer enorme zusätzliche Ressourcen für Berufsausbildung bereitstellen müsste. In einer Wirtschaft, in der Fähigkeiten, Qualifikation und Praxisorientierung immer mehr zum entscheidenden Standortfaktor werden, entwickelt sich die duale Ausbildung zum strategischen Asset und die Wirtschaftskammer zur Institution, die dieses Asset trägt, weiterentwickelt und absichert.
Wenn Ihnen dieser Beitrag gefällt, abonnieren sie per Registrierung unseren kostenlosen Newsletter! -> http://eepurl.com/hqc7zb
Wo die Kritik ansetzt: Erwartungen an eine moderne Kammer!
Die Kritik richtet sich oft nicht gegen das Prinzip der Wirtschaftskammer, sondern gegen ihre Ausrichtung, Struktur und Zeitgemäßheit. Besonders stark sichtbar wird dies beim Thema Pflichtmitgliedschaft und bei den Umlagen. Zwar schützt die verpflichtende Mitgliedschaft die Kammer vor Partikularinteressen und verpflichtet sie dazu, tatsächlich die gesamte Breite der Wirtschaft zu vertreten, doch gleichzeitig erzeugt genau dieser Zwang einen hohen Erwartungsdruck. Wer zahlen muss, will eine klare Gegenleistung sehen – und zwar eine transparente, messbare und effiziente. Viele Kritiker bemängeln, dass es an echter Wahlfreiheit fehlt, dass die tatsächliche Kosten-Nutzen-Abrechnung für viele Mitglieder nicht nachvollziehbar ist und dass die Verwendung der Umlagen oft zu wenig transparent erscheint. Besonders Ein-Personen-Unternehmen und Kleinstbetriebe empfinden die Kammer nicht selten als teure Pflicht mit nur begrenzt spürbarem Nutzen, was zu einem zentralen Reibungspunkt geworden ist.
Hinzu kommt die historisch gewachsene Struktur der Kammer, die mit sieben Sparten, zahlreichen Fachgruppen, Landesorganisationen und Bezirksstellen aus einer Zeit stammt, in der regionale Fragmentierung und lokale Präsenz entscheidender waren als heute. Diese Architektur wirkt für viele Unternehmer inzwischen schwerfällig: Sie erscheint teuer, reagiert langsam, ist unübersichtlich und wird nicht immer optimal gesteuert. Bürgerliche Reformbefürworter fordern daher keine Abschaffung des Systems, sondern eine Rationalisierung. Die Kammer solle geführt werden wie ein modernes Unternehmen – effizient, schlank, digital – und nicht wie ein schwerfälliges Behördengeflecht.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft Governance, Transparenz und Effizienz. Unternehmerinnen und Unternehmer erwarten zu Recht eine strenge Kostenkontrolle, zurückhaltende Funktionärsgehälter, nachvollziehbare Budgets und vollständige Offenlegung von Förderungen und Geldflüssen. Die WKÖ lebt von ihrer Glaubwürdigkeit, doch genau diese wird durch jede Diskussion über üppige Gagen, großzügige Strukturen oder intransparente Finanzierungen erschüttert – besonders in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, in denen viele Betriebe selbst sparen müssen.
Schließlich geht es auch um die Frage, ob die Kammer die neue Realität des Unternehmertums ausreichend widerspiegelt. Die österreichische Wirtschaft ist vielfältiger denn je: digitale Start-ups, Content Creator, beratende EPU, internationale Freelancer und eine stark wachsende Kreativbranche prägen das moderne Wirtschaftsbild. Viele dieser neuen Gruppen fühlen sich in den traditionellen Strukturen der Kammer nicht repräsentiert. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die WKÖ noch eine Kammer des 21. Jahrhunderts ist oder in vielen Bereichen noch im 20. Jahrhundert verharrt. Ein modernes Unternehmertum verlangt eine Kammer, die digital denkt, schnell reagiert, Innovation fördert, neue Branchen ernst nimmt und die „neue Selbstständigkeit“ als gleichwertigen Teil der Wirtschaft versteht.

Reform als Chance: Wohin sich die WKÖ entwickeln könnte!
Die aktuelle Debatte bietet die Chance, das System der Wirtschaftskammer zu modernisieren, ohne dessen grundlegende Stärken zu verlieren. Reform bedeutet nicht Abschaffung, sondern Erneuerung – eine Anpassung an wirtschaftliche Realitäten, technologische Entwicklungen und die Erwartungen einer neuen Generation von Unternehmerinnen und Unternehmern. Entscheidend ist, dass die WKÖ ihren Mitgliedern deutlich sichtbarer macht, welchen konkreten Mehrwert sie ihnen bietet. Jeder Betrieb sollte klar erkennen können, welche Leistungen er tatsächlich erhält, welche Services genutzt worden sind und welche politischen Erfolge die Kammer erzielt hat. Mehr Transparenz, regelmäßiges Reporting und eine Art „Kammerbilanz“, die nachvollziehbar darstellt, wohin die Beitragsgelder fließen und welche Wirkung sie entfalten, wären ein wesentlicher Schritt, um Vertrauen aufzubauen und die Legitimation der Pflichtbeiträge zu stärken.
Gleichzeitig braucht die Organisation selbst eine spürbare Verschlankung. Eine moderne Kammer sollte mit weniger Gremien, klaren Zuständigkeiten, reduzierter Bürokratie, stärkerer Digitalisierung und effizienteren Entscheidungswegen arbeiten. Dabei geht es keineswegs darum, die Bedeutung der Regionen oder Sparten zu schmälern, sondern darum, Doppelgleisigkeiten zu beseitigen und die Kammer so zu strukturieren, dass sie agiler und reaktionsfähiger wird. Die Wirtschaft von heute arbeitet in Echtzeit und eine Interessenvertretung, die für diese Wirtschaft relevant bleiben will, muss entsprechend handeln.
Neben strukturellen Reformen braucht es auch einen kulturellen Wandel. Die WKÖ muss sich stärker als Motor einer modernen, innovativen Wirtschaft verstehen. Technologie, Forschung, Digitalisierung und unternehmerischer Mut sollten Leitbegriffe einer Kammer sein, die die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs im globalen Umfeld sichern will. Nachhaltigkeit sollte nicht als ideologische Bürde gesehen werden, sondern als Chance, neue Märkte zu erobern und langfristige Standortvorteile zu schaffen. Die Wahrnehmung, die Kammer sei ein „Verhinderer“ oder stehe Veränderungen skeptisch gegenüber, ist für Unternehmer ebenso schädlich wie für die Institution selbst. Nur eine Kammer, die Wandel aktiv gestaltet, kann Vertrauen gewinnen.
Die WKÖ sollte ihrer Verantwortung gegenüber EPU und KMU wirklich besser gerecht werden. Die überwältigende Mehrheit der Mitglieder sind Klein- und Kleinstunternehmen und sollten nicht nur rhetorisch, sondern tatsächlich im Mittelpunkt stehen. Das bedeutet einen leichteren Zugang zu Services, niedrigere Pflichtbeiträge, mehr praxisnahe Unterstützung, stärkere Mitsprachemöglichkeiten und konsequent digitale Lösungen, die den Arbeitsalltag vereinfachen. Nur wenn die Kammer diese breite Basis wirklich repräsentiert, bleibt sie langfristig legitimiert und kann ihren Anspruch auf eine umfassende Vertretung der gesamten Wirtschaft überzeugend einlösen.
Fazit
Die Wirtschaftskammer ist also mehr als nur eine Behörde; sie ist die strukturelle Grundlage für die kollektive Interessenvertretung der österreichischen Unternehmerschaft. Sie bietet wertvolle Leistungen und politische Schlagkraft, die der einzelne Unternehmer kaum erlangen könnte. Die Kammer widerspricht den Bablers, Doskozils und linken Keynesianern und steht damit für eine Stimme der Vernunft in Österreich. Sie ist auch ein wichtiges Gegengewicht zu Arbeiterkammer und Gewerkschaft und deren wirtschaftspolitischer Propaganda – etwa über das Momentum Institut! Aus bürgerlicher Sicht lautet daher das Fazit: Ja zur Kammer, aber Nein zur Stagnation. Eine schlankere, transparentere und auf den direkten Mitgliedernutzen fokussierte Wirtschaftskammer ist kein Widerspruch, sondern deren logische Weiterentwicklung, um auch in Zukunft eine glaubwürdige und starke Stimme für den Standort Österreich zu bleiben. Die Bereitschaft zur kritischen Selbstreflexion und zur Reform wird entscheiden, ob die WKÖ weiterhin als unverzichtbarer Anker oder als Reformfall betrachtet werden wird.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Dann abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren Newsletter – und bleiben Sie immer top informiert über neue Artikel, Analysen und Hintergründe! Jetzt registrieren -> http://eepurl.com/hqc7zb
Finanzielles
Unterstützen Sie uns!
Mit einer Spende helfen Sie den Fortbestand von „Der März“ zu gewährleisten!
Vielen herzlichen Dank!
Liebe Leserinnen und Leser von „Der März“,
Unsere Seite ist ein Ort für kritischen Journalismus, tiefgehende Analysen und gut recherchierte Hintergrundberichte. Wir sind sehr stolz darauf, unabhängig zu arbeiten, denn das macht es uns möglich, Themen und Perspektiven zu behandeln, die in der Mainstream-Medienlandschaft oft untergehen oder anders rezipiert werden. Unsere Arbeit setzt akribische und sehr zeitintensive Recherche voraus und verursacht eben leider auch Kosten. Aus diesem Grunde sind wir auf die finanzielle Unterstützung unserer treuen Leser angewiesen. Nur mit Ihrer Unterstützung kann unser kleines ehrenamtliches Team nämlich auf Dauer bestehen bleiben und die mit der Herausgabe unseres Mediums verbundenen Kosten (Plattformfinanzierung, Lektorat, etc) abdecken. Jede Spende, egal wie klein, trägt dazu bei, unsere Arbeit zu finanzieren und unser Medium als Plattform für unabhängigen Journalismus zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Falls Sie direkt überweisen möchten, ganz ohne Paypal oder Kreditkarte, dann finden Sie hier unsere Kontodaten:
IBAN: AT60 5100 0000 0502 7640
BIC: EHBBAT2E
Vielen herzlichen Dank für Ihre Treue und Unterstützung !
Das Team von „Der März“